Jeder Dritte kommt zum Gucken

Der Hauptbahnhof entwickelt sich zum festen Programmpunkt der Berlinbesucher. In den ersten 100 Tagen nutzen ihn 30 Millionen – ein Drittel waren Schaulustige. Bahn verbessert Technik und Service

VON MARLENE WOLF

Am Hauptbahnhof wissen die Passagiere nach fast 100 Tagen endlich, was die Uhr geschlagen hat. Denn die Bahn ließ hier zahlreiche neue Uhren aufstellen. Das ist eine der zahlreichen Veränderungen in der neuen Superstation, die Wolf-Dieter Siebert, der Vorstandsvorsitzende der DB Station & Service AG, in seiner 100-Tage-Bilanz gestern bekannt gab.

Der gläserne Riese etabliert sich zudem als fester Programmpunkt bei Berlinbesuchern. Seit der Eröffnung Ende Mai haben ihn laut Siebert 30 Millionen Menschen genutzt und besucht, jeden Tag sind es 300.000. Gut ein Drittel davon komme nur, um sich das Gebäude anzuschauen oder dort einkaufen zu gehen. Die Bahn reagiert auf das große Interesse mit einem touristischen Angebot: Ab 1. September bietet sie Führungen durch das gläserne Haus an. Gruppen von bis zu 25 Personen sollen dafür ungefähr 150 Euro bezahlen.

Sieberts detaillierte Bilanz der ersten knapp 100 Tage Riesenbahnhof fiel erwartungsgemäß positiv aus. Natürlich habe es anfangs Schwierigkeiten gegeben – „dies sei aber klar gewesen“ bei einem so großen Projekt. Dann zählte er munter auf, wo welche Probleme behoben wurden.

Damit sich wartende Gäste nicht mehr die Beine in den Bauch stehen müssen, habe man 33 zusätzliche Bänke aufgestellt. Auch eine dritte Toilettenanlage habe man in Betrieb genommen. Dort hatten sich ebenso häufig lange Schlangen gebildet wie an der Gepäckaufbewahrung. Auch hier gehe es jetzt flotter voran: Es wurde laut Siebert die Technologie überarbeitet und eine neue Durchleuchtungsanlage angeschafft.

Damit die Passagiere schneller Ansprechpartner finden und etwa Hilfe bei der Bedienung der Fahrkartenautomaten bekommen, seien 20 weitere Mitarbeiter abgestellt worden – insgesamt kümmern sich nun 60 Helfer um die Bahnfahrer. Damit ging die Bahn auf die häufige Kritik der Kunden ein. Und: Die Tiefgarage ist dank automatischer Türöffner nun auch für Behinderte gut erreichbar. Sieberts Fazit: Der Hauptbahnhof sei „ein Kronjuwel“ und ein „Verkehrsknotenpunkt für Berlin“. Auf Letzteres sei er „ganz besonders stolz“.

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) versprach, dass auch in der Umgebung des Bahnhofes noch viel geschehen werde. „Hier wird ein Ort für Kultur, Entertainment, Freizeit und Gastronomie entstehen“, sagte sie. 16 Millionen Euro habe der Senat bislang für das so genannte „Lehrter Stadtquartier“ ausgegeben, weitere 6 Millionen seien geplant – unter anderem für die Anbindung des Bahnhofs an die Invalidenstraße, die Herrichtung der Umgebung, ein Dach über der Bushaltestelle und Fahrradstellplätze. Künftig wolle man auch gemeinsam mit der Bahn auf Immobilienmessen auftreten, um „Interesse auf dieses Gebiet zu richten“, so Junge-Reyer.

Dass am und im Hauptbahnhof noch einiges getan werden muss, erfuhr die Senatorin gestern persönlich. Nach ihrem Pressetermin kam ein älteres Ehepaar auf sie zu und fragte nach dem Weg zu den Toiletten. Leider erfolglos: Die Senatorin konnte nicht weiterhelfen.