Strafe für Negativismus

Tennisprofi Anna-Lena Grönefeld übersteht die erste Runde bei den US Open nicht. Ihr Trainer verlässt schon während des Matches den Platz, was die Norddeutsche grundsätzlich okay findet

AUS NEW YORK DORIS HENKEL

Was genau in letzter Zeit schief gelaufen ist, weiß sie nicht, aber dass da was nicht stimmt, sieht sie auch. „Das kann man schon ein Tief nennen“, gestand Anna-Lena Grönefeld nach ihrer Niederlage (6:2, 0:6, 4:6) in der ersten Runde der US Open gegen die kaum bekannte Französin Aravane Rezai. Ein Ergebnis, das in eine Reihe von Niederlagen in letzter Zeit passt und die Frage aufwirft, wieso sie nach dem größten Erfolg ihrer Karriere vor knapp drei Monaten innerhalb relativ kurzer Zeit den Kontakt zur Weltspitze verloren hat.

Die Begegnung auf Platz sechs fasste ziemlich anschaulich zusammen, wo Stärken und Schwächen der besten deutschen Tennisspielerin dieser Tage liegen. Am Anfang souverän mit gewohnt harten Grundschlägen, ließ sie sich von einem Punktverlust zu Beginn des zweiten Satzes derart aus dem Konzept bringen, dass sie eine Viertelstunde lang kaum noch einen Ball ins Feld brachte. Was mit einem 0:6-Satzverlust bestraft wurde und ergänzend mit dem spontanen Abmarsch ihres spanischen Trainers Rafael Font de Mora. Für Außenstehende war das eine unverständliche Reaktion: Ob man seine Spielerin zur Besinnung bringen kann, indem man sie unter Protest allein lässt?

Anna-Lena Grönefeld meinte nach dem Spiel, das habe er nicht zum ersten Mal gemacht, und sie finde auch nichts dabei. „Ich verstehe ihn, wenn er geht. Er mag es halt nicht, wenn ich auf dem Platz negativ bin. Wir haben ein klares Abkommen, dass ich positiv sein soll, und er macht das ja, damit ich besser werde. Die Niederlage hab ich mir selbst zuzuschreiben“, sagte sie. Vor allen Dingen mit einer Serie von Doppelfehlern im letzten Aufschlagspiel, mit der sie der hart und mutig schlagenden Französin einen Matchball nach dem anderen schenkte, verlor sie das Spiel.

Zugegeben, Rezai ist eine stärkere Gegnerin, als es deren Weltranglistenplatz (Nummer 96) vermuten lässt, aber gegen eine junge Spielerin mit geringer Erfahrung in Grand-Slam-Turnieren hätte Grönefeld, die Nummer 16 der Welt, größeren Überblick beweisen müssen.

Bei den French Open in Paris hatte es Anfang Juni noch so ausgesehen, als sei sie nervlich stabil, um die Höhen und Tiefen eines Spiels verkraften zu können, und vor allem, in den Tiefen nicht völlig kopflos unterzugehen. Vier Siege in Serie – so viele wie nie zuvor bei einem Grand-Slam-Turnier – waren der Lohn, und als Viertelfinalistin durfte sie von sich behaupten, zur Elite des Frauentennis zu gehören. Zumindest bei diesem Turnier.

Grönefeld sagt, trotz des Erfolges von Paris sei ihr klar gewesen, dass die Turniere danach kein Selbstläufer werden würden. Und genau so kam es; beim Rasenturnier in Eastbourne spielte sie noch gut, aber mit der Niederlage in der Woche danach in der ersten Runde in Wimbledon begann eine Phase, in der sie auf einmal wieder so wechselhaft wirkte wie zu Beginn des Jahres. In den Monaten Juli und August gewann sie insgesamt nicht mehr als drei Spiele, und in diese Reihe passt nun auch die Niederlage bei den US Open.

Konstanz heißt das Zauberwort – und den Code dazu hat sie noch nicht geknackt. Wie hilfreich dabei Font de Moras Methoden sind, ist schwer zu sagen. Jedenfalls hat Grönefeld den Coach bisher gegen Kritik immer verteidigt, so auch im Frühjahr bei einer Kontroverse mit der deutschen Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner, die sich mit dessen Art der Menschenführung nicht anfreunden konnte.

Sie sind ein merkwürdiges Gespann, die eher spröde, leicht aus dem Konzept zu bringende Norddeutsche und der temperamentvolle bis cholerische Spanier. Gemessen an der Bilanz bei Grand-Slam-Turnieren in diesem Jahr – dem Erfolg von Paris stehen Erstrunden-Niederlagen in Wimbledon und New York gegenüber und Runde zwei in Melbourne – gibt es für beide noch reichlich Arbeit. Anna-Lena Grönefeld weiß, dass ihr auf die Dauer vor allem eine stabilere Psyche helfen wird. Sie sagt, sie habe in letzter Zeit deshalb auch gelegentlich schon mit einem Mentalcoach gearbeitet, aber das Richtige sei das noch nicht gewesen. Die Suche geht weiter.