Kränze an New Orleans’ Deichbruchstellen

Vor einem Jahr verwüstete der Hurrikan „Katrina“ die Südküste der USA. Ein Jahr später droht „Ernesto“

MIAMI rtr/ap ■ Ein Jahr nach dem Hurrikan „Katrina“ droht die Südküste der USA vom Tropensturm „Ernesto“ heimgesucht zu werden. Der Sturm hielt gestern seinen Kurs auf Florida, wo er nach Angaben von Meteorologen heute ankommt. Vorsorglich wurde dort der Notstand ausgerufen.

Während die Menschen in New Orleans mit einer Schweigeminute der „Katrina“-Opfer gedachten, zog „Ernesto“ in nördlicher Richtung über das offene Meer und gewann dabei weiter an Kraft. Durch „Katrina“ waren vor einem Jahr rund 1.500 Menschen ums Leben gekommen. Weite Landstriche sowie die Metropole New Orleans wurden verwüstet. Meteorologen rechneten allerdings nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 Prozent damit, dass „Ernesto“ nochmals zu einem Hurrikan wird. Trotzdem deckten sich die Menschen in Florida mit Lebensmitteln und Benzin ein.

„Stellen Sie sicher, dass Sie Vorräte für die 72 Stunden nach dem Sturm haben“, sagte Gouverneur Jeb Bush in Tallahassee. „Ein Hurrikan ist ein Hurrikan, und seine Zerstörungskraft haben wir bereits gesehen.“ „Ernesto“ erreichte noch Windgeschwindigkeiten bis 72 Stundenkilometern und damit deutlich niedrigere als am Sonntag, als 120 Kilometer in der Stunde gemessen worden waren. Ab dieser Stärke sprechen Meteorologen von einem Hurrikan.

„Ernesto“ wurde am Wochenende der erste Hurrikan der Saison im Atlantik und brachte der Dominikanischen Republik, Haiti und Kuba schwere Regenfälle. Er kostete bisher eine Frau das Leben. Landstriche im Osten Kubas wurden überschwemmt, die Regierung hatte zuvor Tausende von Bewohnern aus besonders gefährdeten Gebieten in Sicherheit bringen lassen.

Auf den Florida Keys wurden Touristen angewiesen, die Inseln zu verlassen. Die Behörden wollten ältere und kranke Menschen nach Miami in Sicherheit bringen. In den Bezirken Broward und Miami-Dade wurde der Unterricht abgesagt, damit die Schüler nicht während des Sturms nach Hause gehen mussten. Die Nasa sagte einen für Dienstag geplanten Start der „Atlantis“ ab und erwog, die Raumfähre in einem Hangar in Sicherheit zu bringen.

Anlässlich des „Katrina“-Jahrestags wurde auch US-Präsident George W. Bush in New Orleans erwartet. Er wollte an einem ökumenischen Gottesdienst im Konferenzzentrum teilnehmen, in das nach dem Bruch der Dämme tausende Menschen geflüchtet waren. Die Bewohner wollten an den Stellen, an denen die Dämme brachen, Kränze niederlegen. 80 Prozent der Stadt wurden überschwemmt, nur die Hälfte der Bevölkerung ist bis heute in die Stadt zurückgekehrt.

Bush erklärte zuvor, der Wiederaufbau habe gerade erst begonnen. Er hoffe, dass die insgesamt 86 Milliarden Euro, die Washington zur Verfügung gestellt habe, für die Anstrengungen ausreichten. Von diesen Bundesmitteln sind inzwischen 77 Milliarden Dollar bereitgestellt worden, der Rest soll für künftige Verwendungen reserviert bleiben. „Es ist ein Jahrestag. Es ist nicht das Ende. Offen gesagt, es ist lediglich der Anfang“, sagte Bush. Der Präsident war wegen seiner Passivität vor einem Jahr in die Kritik geraten. Vor den Kongresswahlen im November versucht vor allem die Opposition, die Versäumnisse ins Gedächtnis zu rufen.

Unterdessen hielt der Tropensturm „John“ auf die mexikanische Küste zu. US-Experten zufolge sollte er im Laufe des Dienstags mit Regen und Wind über Acapulco fegen und am Wochenende andere Touristenorte der Pazifikküste wie Puerto Vallarta und Los Cabos auf der Halbinsel Baja California treffen. „Die Vorhersagen zur Intensität zeigen, dass ‚John‘ binnen 36 Stunden zum Hurrikan werden könnte“, erklärte das nationale US-Hurrikanzentrum in Miami.