Die Reform muss durch – irgendwie

Die Bundeskanzlerin spricht der gebeutelten Ministerin Ulla Schmidt das Vertrauen aus. Sie soll nun mit Fachpolitikern die Gesundheitsreform umsetzen. Aber im Kampf um die Details werden die großen Gegensätze immer wieder aufbrechen

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Ihr Papstbesuch hatte Angela Merkel offensichtlich spirituell inspiriert. Als sie gestern das Regierungsprogramm für die kommenden Monate vorstellte, sprach sie von den vier Kraftzentren der Politik, unter anderem meinte sie sich selbst und ihren Ministerstab. Kraftzehrend dürfte vor allem die Gesundheitsreform sein – für Merkel das schwierigste Thema dieser Wahlperiode. Union und SPD wollen das Konfliktthema bis Ende des Jahres abhaken. Vizekanzler Franz Müntefering sagte: „Wir sind uns einig, dass das in diesem Herbst fertig werden muss.“ Die Reform, sagte Merkel, solle zum 1. 1. 2007 in Kraft treten.

Dabei hatte es schon Knatsch gegeben, als Merkel im Juni die Eckpunkte vorstellte und als Lösung der Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenkassen zunächst Beitragserhöhungen von 0,5 Prozentpunkten präsentierte. Die SPD forderte dagegen gewaltige Steuerzuschüsse.

Konkret wurde Merkel nur beim Thema private Krankenversicherung und stellte sich hinter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Die Sozialdemokratin war am Wochenende Kritik ausgesetzt. Ein Reformentwurf aus Schmidts Haus ließ Unionspolitiker Feuer spucken. Dem Entwurf zufolge sollen die privaten Versicherer ehemalige Mitglieder ohne Versicherungsschutz wieder aufnehmen, und zwar zu einem Basistarif ohne Risikoaufschlag für Krankheiten, Alter und Geschlecht. Zudem sollen Privatversicherte Geld, das sie in jungen Jahren fürs Alter bei der Versicherung ansparen, beim Wechsel in eine andere Krankenkasse mitnehmen dürfen. Bisher behält die Privatversicherung diese Rücklagen. Merkel stellte klar: „Die Ministerin hat meine volle Unterstützung bei der Umsetzung dieser Eckpunkte.“

Schmidt versprach, sie wortgetreu umzusetzen – nicht leicht angesichts der Vagheit der Formulierung und der gegensätzlichen Vorstellungen von Union und SPD.

Die SPD propagierte im Wahlkampf 2005 die Bürgerversicherung, eine Art Gesundheitssteuer, bei der alle abhängig von der Höhe ihres Einkommens zur Finanzierung des Gesundheitswesen beitragen müssen. Die CDU trug die Kopfpauschale vor sich her, ein fixer Betrag, der von jedem gezahlt werden müsste. Im Juni hatten sich Union und SPD mühsam auf gemeinsame Eckpunkte zur Gesundheitsreform geeinigt. Zentrales Element ist ein Gesundheitsfonds, in dem ab 2008 die Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber sowie Steuerzuschüsse gesammelt werden. Dieses Instrument zeichnet sich gegenwärtig noch durch seine Formbarkeit aus: Je nach politischem Gusto kann es zur Bürgerversicherung oder zur Kopfpauschale ausgestaltet werden.

So versucht die Union gegenwärtig, die kleine Kopfpauschale zu verankern. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz wandte sich gegen Schmidts Forderung, die Versichertenbeiträge beim Start des Fonds so hoch anzusetzen, dass zunächst keine Kasse eine Zusatzprämie erheben muss. Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) sagte der taz jedoch: „Das entspricht nicht den Eckpunkten.“ Der Start des Fonds setze zudem voraus, dass jede Kasse völlig entschuldet sei, damit die Kassen zu gleichen Bedingungen in den Wettbewerb treten. Derzeit haben besonders die AOKs hohe Schulden. Sowohl Trauernicht als auch Widmann-Mauz gehörten zum 16-köpfigen Team aller drei Regierungsparteien, das die Eckpunkte zur Reform verhandelte.

Am Montag läutet Schmidt eine neue Verhandlungsrunde ein und wird mit Politikern von Union und SPD einen Gesetzentwurf erarbeiten. Diesmal soll die Arbeitsgruppe kleiner sein.