Der Durchbruch für den Datenschutz

Das Karlsruher Volkszählungsurteil hat 1983 ein neues Grundrecht geschaffen. Datenschutzversprechen des Gesetzgebers sind aber kurzlebig

KARLSRUHE taz ■ Die Bundesregierung ist mutig. Ausgerechnet zu Zeiten weltweiter Terrorfahndung will sie eine neue Volkszählung ansetzen.

Das weckt Erinnerungen: Die 1983 geplante Volkszählung brachte eine breite Bewegung gegen sich auf – und verhalf letztlich dem Datenschutz zum Durchbruch. Kurz vor Durchführung stoppte das Bundesverfassungsgericht den Zensus. Das Gericht verkündete im Dezember 1983 dann das berühmte Volkszählungs-Urteil. Darin wurde der Datenschutz erstmals als Grundrecht anerkannt: Der Bürger habe ein Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“. Er könne also grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung der persönlichen Daten entscheiden. Seitdem gilt jede Datenerhebung als Eingriff in dieses Grundrecht, die zwar bei „überwiegendem Allgemeininteresse“ möglich ist, aber eine gesetzliche Grundlage benötigt. Eine Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat und zu noch nicht bestimmten Zwecken schloss das Gericht ausdrücklich aus.

Die Vorgaben des Verfassungsgerichts wurden 1987 dann beachtet. Die Befragung wurde anonym durchgeführt. Die aus organisatorischen Gründen erhobenen persönlichen Daten wie Name und Anschrift wurden diesmal aber nicht zur Korrektur der kommunalen Melderegister benutzt. Viele füllten die Volkszählungsbögen einfach falsch aus. Die Statistiker halten die Daten der 87er-Volkszählung dennoch im Wesentlichen nicht für verfälscht.

Auch die aktuellen Pläne zu einer registergestützten Volkszählung dürften keine verfassungsrechtlichen Probleme aufwerfen – vor allem, weil die Volkszählung nicht zu einer Korrektur der zugrunde liegenden Register genutzt werden soll. Auch Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar äußerte sich da vorsichtig positiv. Gegen das geplante Verfahren sei „grundsätzlich nichts einzuwenden“, sagte er. Allerdings dürften nur notwendige und gesetzlich erlaubte Daten erhoben werden.

Sönke Hilbrans, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, warnt allerdings, die Datenflut werde sicher noch Begehrlichkeiten der Politik wecken – um etwa illegale Ausländer und Sozialmissbrauch aufzuspüren. Auch die Forderung, die Volkszählungsdaten für Rasterfahndungen zu nutzen, dürfte angesichts der Sicherheitslage bald zu hören sein.

Doch selbst wenn angesichts solcher Befürchtungen ein Zweckentfremdungsverbot ins neue Volkszählungs-Gesetz geschrieben wird, ist von solchen Proklamationen nicht viel zu halten – wie derzeit bei den Daten der Maut-Erfassung zu sehen ist. Erst Ende 2004 stellte der Gesetzgeber klar, dass diese Daten nur zur Abrechnung der Streckengebühr benutzt werden dürfen und nicht zur Strafverfolgung. Keine zwei Jahre später ist die große Koalition entschlossen, das Mautgesetz wieder zu ändern und der Polizei Zugriff auf die Mautdaten zu ermöglichen. Datenschutz ist in diesen Zeiten zu einem kurzlebigen Versprechen geworden.

Christian Rath