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: Ein Kunsthandwerker auf Glatteis

Seinen Vorgänger hatte er schon musealisiert, lange bevor er ihn beerbte. Als Hermann Schäfer vor ein paar Jahren die neue Dauerausstellung seines Bonner Hauses der Geschichte präsentierte, da wies er seine Besucher gern auf ein Video über die Achtundsechziger hin. Zu sehen war dort ein Interview des Fernsehmagazins Report mit dem AStA-Vorsitzenden aus Hamburg. Der Mann, der da so radikal daherredete, hieß Knut Nevermann – und war inzwischen zum stellvertretenden Kulturbeauftragten im Kanzleramt unter Schröder aufgestiegen.

Im vergangenen Februar hat Schäfer, von der Öffentlichkeit zunächst kaum beachtet, die Nachfolge Nevermanns angetreten. Am vorigen Freitag machte sich der 63-Jährige aber mit einem Schlag allgemein bekannt. In einer Weimarer Gedenkrede für die Opfer des KZ Buchenwald sprach er zunächst ausschließlich über das Leid deutscher Vertriebener, bis ihn das empörte Publikum zum Schweigen brachte. Inzwischen hat er sich dafür entschuldigt.

Die Überraschung war umso größer, als Schäfer mit den Untiefen der Geschichtspolitik eigentlich bestens vertraut sein müsste. Als er 1987 vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zum Gründungsdirektor des Bonner Hauses der Geschichte berufen wurde, war das Misstrauen der Öffentlichkeit groß. Nach Kohls geschichtspolitischen Fehltritten der ersten Regierungsjahre stand das neue Museum unter dem Verdacht, an konservativen Geschichtslegenden stricken zu wollen.

Doch der Direktor widerlegte seine Kritiker schnell. Parteipolitische Einseitigkeit war den Ausstellungen nicht anzukreiden, die vielmehr getreulich den bundesrepublikanischen Mainstream spiegelten – so sehr, dass ihnen stets auch ein Hauch von Kunsthandwerk anhaftete. Schäfer war nie ein Zauberer wie sein Berliner Kollege Christoph Stölzl vom Deutschen Historischen Museum, der mit seinen Projekten auch neue Themen erschloss und Debatten anregte. Das Haus der Geschichte zeigte lieber stolz Adenauers Salonwagen oder Kohls Strickjacke.

Die letzte Ausstellung, die er als Museumsdirektor eröffnete, handelte von Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch hier erzählte Schäfer eine Erfolgsgeschichte der alten Bundesrepublik, die Erfolgsgeschichte einer gelungenen Integration – und umschiffte damit alle heiklen Debatten. Doch scheint ihm das Thema ein wenig zu Kopfe gestiegen zu sein. Durch den Erfolg der Ausstellung beflügelt, redet er kaum noch über anderes. Auch wenn er sein Thema skandalös verfehlt, weil er eigentlich über ein Konzentrationslager sprechen soll. RALPH BOLLMANN