Senat voll unter Strom

VERKEHR Neue Agentur soll für Elektromobilität werben und Firmen nach Berlin holen. Wirtschaftssenator Wolf hofft zudem auf einen Großversuch mit über 10.000 Elektroautos

VON STEFAN ALBERTI

Der Senat versucht mit Macht, sich beim Thema Elektromobilität bundesweit an die Spitze zu setzen. Eine neue Agentur soll Industrie, Forschung und Politik besser vernetzen, vor allem aber Berlin als Produktionsstandort vermarkten. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) geht davon aus, dass Elektrofahrzeuge samt Stromtankstellen binnen zehn Jahren „eine sichtbare Komponente des Stadtbilds“ sein werden. Oppositionspolitiker begrüßen zwar die Initiative, sehen den Senat aber spät dran.

Die Bundesregierung hatte im Mai Ziele zu diesem Thema vorgestellt. Demzufolge sollen bis 2020 angeblich eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Derzeit laufen laut Wolf bereits kleinere Versuche. Der Wirtschaftssenator will jedoch einen Großversuch mit über 10.000 Fahrzeugen nach Berlin holen.

Wolf sieht die Hauptstadt dabei im Vorteil, gerade weil hier keiner der großen Autohersteller zu Hause ist. Seine Logik: VW, BMW und Daimler würden es nicht gern sehen, wenn der Versuch an den Standort der Konkurrenz ginge. Für Wolf ist Grundvoraussetzung von E-Mobilität, dass der Strom für die Fahrzeuge aus erneuerbaren Energiequellen kommt.

Die neue Agentur wird getragen von der Technologie-Stiftung Berlin und der Berlin Partner GmbH, der von der landeseigenen Investitionsbank und von Unternehmen finanzierten Wirtschaftsförderagentur. Beide sollen auch die Mitarbeiter stellen – bis auf zwei neue Stellen. Jährlich soll dieses Projekt, das auf zwei Jahre befristet ist, 250.000 Euro aus der Landeskasse bekommen.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann mochte zwar die Idee einer Agentur nicht madig machen, grundsätzlich aber ist Rot-Rot für ihn bei diesem Thema spät dran. „Scheinbar ist der Senat ein Jahr vor der Wahl aufgewacht und kommt in Gang.“ Seine Fraktion habe immer gesagt, dass es in diese Richtung gehen müsse. Eine Beteiligung von Atomstromherstellern an der Planung macht es auch für ihn fraglich, ob E-Autos wirklich nur mit sauberem Strom fahren.

Für FDP-Umweltpolitiker Henner Schmidt gehen andere Bundesländer das Thema organisierter an. Eine neue Agentur allein reiche nicht: „Man muss auch ein richtiges Konzept haben, und das sehe ich nicht.“

Martin Schlegel, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, hält es vom Ansatz her falsch, auf Elektroantrieb bei Pkws zu setzen. „Man müsste vor allem die Dieselmotoren von kleinen Lkws ersetzen“, sagte er. Er wünschte sich auch Förderprogramme bei Elektrorollern: „Die surren gerade mal wie eine Stubenfliege und könnten den Zweiradlärm erheblich mindern.“