Häuser renovieren verblödet

Das Häuserbesetzen immobilisiert die linke Bewegung

VON HELMUT HÖGE

Die meisten Leute können nicht squatten. Sie lassen sich schon von einem Stuhl korrumpieren“, meinte Santu Mofokeng, ein Künstler aus Soveto/Johannesburg, einst in einer Diskussion über Hausbesetzer. Gegen Hausbesetzungen spricht zudem, dass sie die linke Bewegung zwar fokussieren und dabei sozial ausweiten – gleichzeitig jedoch auch immobilisieren.

Das liegt quasi in der Natur der Sache. Ich erinnere mich an eine Schöneberger Gruppe, von denen einer nach der Besetzung seinen Vater, einen Architekten, in Ulm anrief. Der kam auch sofort angeflogen und prüfte die Bausubstanz. Sie gefiel ihm nicht, er riet, ein anderes Haus zu besetzen. Und so geschah es dann auch.

Hinzu kommt, dass man nach der Besetzung bloß noch in Hausbaukategorien (Bohrmaschine, Dachstuhl, Heißwasserboiler) denkt. Ich weiß, wovon ich rede. Korrumpiert wird man dadurch, dass man „sein Haus“ immer weiter ausbaut (Fußbodenheizung, Sauna, Gästezimmer) und irgendwann nichts anderes mehr kann als auszubauen und einzurichten. Davon lässt sich aber nicht leben.

In den ehemaligen Hausbesetzerkneipen links und rechts der Kreuzberger Oranienstraße bekommt man die fatalen Folgen dieser Immobilisierung mit, selbst, wenn man nicht will: All die linken Loser dort sind inzwischen nämlich, und nicht erst seit gestern, zu klammheimlichen, aber an den Theken umso penetranteren Sarrazinisten mutiert. Jede ihrer rassistischen Äußerungen endet mit dem Satz: „Das muss man doch mal sagen dürfen.“

Dies deutete sich bereits 1980 zu Beginn der Hausbesetzerbewegung an – mit antisozialer Ökoignoranz titelte die Zitty da: „Türken raus aus Kreuzberg? Warum nicht. Zumindest einige. Es sei denn, man will den Stadtteil sterben lassen.“ Der Bezirk reagierte darauf prompt mit einer „Zuzugsperre“ für Ausländer.

Seitdem ist die Szene der ehemaligen Hausbesetzer zumindest in Kreuzberg noch weitaus ignoranter geworden. Viele haben heute überdies ein Zweithaus auf dem Territorium der ehemaligen DDR an Land gezogen, in dem sie nun im Sommer „Noch Schöner Wohnen“. Der Philosoph Michel Foucault gab bereits 1980 den Linken zu bedenken: „Bedenkt, nicht das Sesshafte, sondern allein das Nomadische ist produktiv!“

Wenn ich mich damit für die Abschaffung von Hausbesetzungen ausspreche, dann soll das natürlich nicht heißen, dass die Hausbesitzer bleiben sollen – im Gegenteil. Manchmal haben sich Besetzer und Besitzer allerdings schon angeglichen: Les extrêmes se touchent!