betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Seit 2010 hätten 500.000 Menschen Ungarn verlassen, seit die national-konservative Fidesz-Partei die Parlamentswahlen gewann und das Land in ihrem Sinne umzubauen begann, schreibt das Berliner HAU. Auch die freie Theaterszene mit Künstlern vom Rang eines Kornél Mundruczó, Béla Pintér oder Arpád Schilling ist seitdem stark unter Druck geraten, und zwar nicht nur finanziell. Einige dieser Künstler werden mit repräsentativen Arbeiten nun im HAU gastieren: im Kontext des Festivals „Leaving is not an option – Aktuelle künstlerische Positionen aus Ungarn“. Die Eröffnung bestreiten am 9. 3. der junge Regisseur Csaba Polgár und seine HOPPart Independent Company mit der viel gelobten Shakespeare-Inszenierung „Korijolanusz“. Im Laufe der Festivalwoche wird dann unter anderem auch Kornél Mundruczós Stück „Dementia“ über die Kranken und Aussortierten der ungarischen Gesellschaft gezeigt. Ein weiteres Highlight ist Béla Pinters luzides Ballhaus-Stück „Our Secrets“ über diejenigen, die als Fettaugen in der Suppe jedes Systems immer ganz oben schwimmen. Hierzulande noch zu entdecken ist der Dramatiker und Regisseur Péter Kárpatí, der gleich mit zwei Stücken beim Festival vertreten sein wird. In einer Podiumsdiskussion (13. 3., 21 Uhr) werden sich ungarische Künstler und Theatermacher außerdem über die Frage „Gehen oder bleiben?“ auseinandersetzen. (HAU: „Leaving is not an Option“, Ungarn-Festival vom 9.–16. 3. Alle Infos: www.hebbel-am-ufer.de)

Gegangen ist definitiv der siebzehnjährige Boris, und zwar als Austauschschüler von Deutschland nach Indien. Was er da erlebt und wie sich das anfühlt, plötzlich in einer fremden Kultur als Fremder wahrgenommen zu werden, davon handelt „Der Gast ist Gott“, das neue Stück von Lutz Hübner, das er gemeinsam mit der indischen Dramatikerin und Regisseurin Vibhawari Deshpande und dem Dramatiker Shrirang Godbole schrieb. Die Geschichte wird also aus der Sicht zweier Kulturen beleuchtet. Mina Salehpour, Faust-Preis-gekrönte Jungregisseurin, wird die schillernde Komödie im Gripstheater uraufführen. (Gripstheater: „Der Gast ist Gott“, Premiere: 7. 3., 19.30 Uhr)

In der Staatsoper, die immer noch im Schiller-Theater spielt, weil das Haupthaus Unter den Linden generalsaniert wird, kommt am 9. 3. Nicholas Stemanns Uraufführung von Elfriede Jelineks Richard-Wagner-Übermalung „Rein Gold“ heraus. Jelinek beschreibt die Geburt des Kapitalismus aus dem Geist des Erlösungswahns und liest Wagners Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ in diesem Kontext als Ursprungserzählung des Kapitalismus. (Staatsoper: „Rein Gold“, Premiere 9. 3., 18 Uhr)