Demontage der Emporkömmlinge

Die Handballer des HSV haben eine Woche nach ihrem Überraschungssieg im Supercup vom THW eine bittere Lektion erteilt bekommen. Bis zum angestrebten Spitzenhandball Kieler Prägung ist es für die Hamburger noch ein gutes Stück

Aus dem Gesicht von Uwe Schwenker sprach Genugtuung. Mit der Gelassenheit eines Buddhas saß der Manager des THW Kiel da, lauschte den Statements der Trainer, blickte in die Runde und lächelte beim Gedanken an den gerade errungenen 38:30 (13:14)-Kantersieg in der Handball-Bundesliga beim HSV Hamburg. Schwenker genoss den Augenblick, den Triumph beim Emporkömmling, der es gewagt hatte, am Thron der Kieler zu rütteln. Das Glücksgefühl war genau richtig dosiert. Warum also noch stärker ausreizen? „Ich habe nichts zu sagen. Ich freue mich, dass wir gewonnen haben“, ließ Schwenker die Journalisten auf der Pressekonferenz kurz und knapp wissen.

Es war eine Freude, die sich angekündigt hatte, kein ekstatischer Ausbruch. Dafür war viel zu früh die Gewissheit eingetreten, dass der HSV Hamburg gegen den Tempo-Handball der „Zebras“ chancenlos sein würde. „Der THW hat sich in einen Rausch gespielt“, sagte HSV-Trainer Martin Schwalb. „In der ersten Hälfte waren wir aggressiv, aber in der zweiten Halbzeit hatten wir sehr große Probleme in der Rückwärtsbewegung. Und in der Vorwärtsbewegung.“ Sein Kieler Kollege Zvonimir „Noka“ Serdarusic nickte kurz.

Klar, gegen Kiel zu verlieren ist keine Schande, auch zu Hause nicht. Nur die Art und Weise, wie die Niederlage zu Stande kam, war für die Hamburger ernüchternd. 30 Minuten lang spielten die selbst ernannten Champions-League-Anwärter mit den Kielern auf Augenhöhe, danach bekamen sie vom Vorbild THW eine Lektion in Sachen Cleverness und Effizienz erteilt. Der Rekordmeister stand exzellent in der Abwehr, spielte klug und geradlinig seine Angriffe aus und schloss diese mit einer beängstigenden Selbstverständlichkeit ab. Hamburg ging im Temporausch sang- und klanglos unter.

„Wir haben den HSV gar nicht ins Spiel kommen lassen. Einen solch hohen Sieg haben wir nicht erwartet“, sagte Serdarusic. Dabei war er vor dem Nordduell „sehr nachdenklich“ gewesen. Zwei Spieler, Viktor Szilagyi (Kreuzbandriss) und Lars Krogh Jeppesen (Rippenbruch), fehlten ihm ohnehin. Zwei weitere Leistungsträger, Nikola Karabatić (Handprellung) und Kapitän Stefan Lövgren (Bandscheibenvorfall), konnten nur unter Schmerzen spielen. Es reichte auch so, um den HSV zu demontieren und Revanche für die 35:39-Niederlage vergangene Woche im Supercupspiel zu nehmen.

Weit vor Spielende verließen die ersten HSV-Fans enttäuscht die Arena. Die 3.000 mitgereisten THW-Fans erlaubten sich derweil einen Vorschuss auf die fast schon obligatorische Meisterfeier auf dem Kieler Rathausplatz. „Deutscher Meister wird nur der THW!“, hallte es durch die Color-Line-Arena.CHRISTIAN GÖRTZEN