Der Dienstherr greift durch

Nach einer Demonstration am Landeskrankenhaus Tiefenbrunn will das niedersächsische Sozialministerium die Namen der Protestierenden wissen. „Stasi-Methoden“, findet die Opposition

von KAI SCHÖNEBERG

„Verraten und verkauft“ stand auf den Plakaten, „Sie sind hier nicht erwünscht“ und „Adios, Ameos“ riefen etwa 70 Demonstranten. Die Polizei rückte an, die Mitarbeiter der Landeskrankenhauses (LKH) in Tiefenbrunn bei Göttingen blockierten trotzdem die Einfahrt. Offenbar so vehement, dass die angereiste Delegation des Klinikkonzerns Ameos schließlich darauf verzichtete, das LKH zu besichtigen.

Der Vorfall aus der vergangenen Woche hat jetzt ein Nachspiel. „Wir müssen als Dienstherr prüfen, ob dienst- und arbeitsrechtliche Vergehen vorliegen“, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums. Deshalb habe sein Haus auch eine Liste mit den Namen der Demonstranten angefordert. Disziplinarrechtliche Sanktionen will er nicht ausschließen – Abmahnungen liegen in der Luft.

Fragt sich nur, gegen wen: Tiefenbrunn, eine edle Spezialklinik mit 176 Betten und 220 Angestellten, gehört zu den insgesamt acht LKH, die das Land Niedersachsen in einem europaweit ausgeschriebenen Verfahren zum Verkauf anbietet. Ver.di, SPD und Grüne haben das stets kritisiert. Vom Ausverkauf der Psychatrie war die Rede, von der Angst um etwa 6.000 Jobs, von der Benachteiligung lokaler Bieter gegenüber Multis. Und jetzt auch davon, dass es zwischen den prozessbegleitenden Wirtschaftsprüfern von PricewaterhouseCoopers und dem Ameos-Konzern Verflechtungen gibt, die einzelne Bieter benachteiligen können. Nun schob die Opposition nach: Um von den „unschönen Vorgängen“ abzulenken, versuche das Land, die LKH-Mitarbeiter „zu kriminalisieren“, wetterten die Grünen. Die Aufforderung, die Namen der Protestler zu nennen, erinnere an „Stasi-Methoden“, meinte die SPD.

Ein Sprecher des Sozialministeriums wies die Vorwürfe als „absurd“ zurück. Er sei „sehr erschüttert“, es gebe keinen „Maulkorb für Kritiker“. Offenbar soll mit der Aufforderung, die Urheber des Ausstands zu benennen, weniger die Mitarbeiter als die renitente Klinikleitung diszipliniert werden. Diese sperrt sich angeblich gegen einen Verkauf an den Schweizer „Krankenhaus-Aldi“ Ameos und will lieber der Göttinger Uni-Klinik angegliedert werden. Arbeitnehmervertreter lassen durchblicken, dass die Klinik-Bosse die Demo gegen Ameos angezettelt hätten. Der Konzern sei „für seine knallharte Personalpolitik bekannt“, sagt Personalratschef Robert Müller. Dennoch: „Wir haben die Demonstration nicht veranlasst.“

Eine Woche vor dem Tumult hatte es eine Belegschaftsversammlung gegeben, bei der die Klinikleitung „spontan vorbei gekommen sei“, erzählen andere Arbeitnehmervertreter. Das Ministerium verweigert jede Auskunft darüber, gegen wen es eigentlich vorgeht. Personalratschef Müller will sich bis zu den Kommunalwahlen am 10. September aus dem Konflikt heraushalten: Er findet es „schlecht, dass unsere Situation in den Wahlkampf gezogen wird“.