Hypnotisiert von zu viel Weiß

Das Leuchten des Apfels (2): Zwischen Schnickschnack und Kompetenz – eine Topografie der Computerläden

Manni ist selbstständiger Spezialist und hat mich schon oft bei Computerproblemen beraten. In seinem Kopf sind alle Menüs und Untermenüs wohlgeordnet. Ich freute mich über die warmen Worte, die er für das neue MacBook fand, und war sehr aufgeregt. Der Computerkauf ist ja eine Wette auf die Zukunft und das Geld dafür nur geliehen. Ich dachte an meine vier Excomputer, jeder besser als der Vorhergehende. In gewissem Sinne aber auch schlechter. Und am Anfang hatte das Fräulein Schreibmaschine Gabriele gestanden.

Existenztheoretisch gestimmt fuhr ich zu Gravis, dem größten Apfelhändler Berlins. Dabei verfuhr ich mich zweimal, um alles hinauszuzögern. Als ich da war, war ich enttäuscht. Das Geschäft war inzwischen fast so bedrückend wie IKEA, vollgestopft mit weißen iMacs, MacBooks, iPods und allerlei weißem Schnickschnack, den man davor, dahinter und dazwischenschalten kann. Google Earth lief auf Riesenmonitoren. Umstellt vom weißen Terror, trauerte ich dem schönen Grau von früher hinterher.

Obgleich oder weil mir das überfüllte Geschäft so grauenhaft vorkam, blieb ich zwei Stunden wie hypnotisiert in der Nähe zweier MacBooks stehen, beobachtete zahlreiche Kaufvorgänge und streichelte verträumt Tastaturen. Ein junger Kreativer kam, der zu wissen schien, was er wollte. Verächtlich sprach er über die schmutzempfindlichen Karosserien der Maschinen und kaufte dann doch eine. Das verunsicherte mich. Ohne zu kaufen, ging ich wieder, kontrollierte auf dem Rückweg noch ein paar Sony-Computer am Potsdamer Platz. Die Kunden dort wirkten irgendwie unernst. Nur die sehr teuren Laptops waren schön.

Draußen saßen drei junge Männer auf dem Boden, schrieben wohl E-Mails oder guckten Sexseiten. Zwei hatten Sonys; einer einen Mac. Ich missbilligte alle und fuhr nach Steglitz in die Schloßstraße in ein Einkaufszentrum, das genauso heißt. Manni hatte mir geraten, mein Gerät im „Mac-House“ zu kaufen. Der Laden war klein und angenehm. Die Verkäufer schienen den Nerd in sich noch nicht getötet zu haben. So wirkten sie gleichzeitig kompetent und sympathisch. Leider war das Gerät meiner Wahl nicht mehr vorrätig.

Lange strolchte ich noch in der Gegend herum, die extrem westdeutsch wirkt. Hier gab es leckeres Aprikoseneis, ein hübsches Naturkaufhaus und H&M war viel größer als anderswo. Weil meine Gier die Sympathie für das Geschäft übertraf, kaufte ich meinen schönen Computer dann woanders. Es ist ein weißes MacBook geworden; schwarz hätte 160 Euro mehr gekostet.

DETLEF KUHLBRODT