Feuer und Strandgut

Isolierte Positionen: „Abgebrannt“, die Ausstellung von 10 Stipendiaten des Senats in der Berlinischen Galerie

Ein Feuer beendete im Januar 2006 den Ausstellungsbetrieb in der Kunstbank, dem Showroom im Erdgeschoss der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur. Zwanzig Arbeitsstipendien für bildende Kunst vergibt das Land Berlin jedes Jahr, und von den geförderten Künstlern konnten bis dahin zwei jeden Monat dort ihre Werke zeigen. Das Landesmuseum Berlinische Galerie ist jetzt in die Bresche gesprungen und stellt unter dem mehrdeutigen Titel „Abgebrannt“ die 10 Stipendiaten von 2005 vor, die nicht mehr in der Kunstbank zu sehen waren.

Die Vorzüge der Kunstbank, zwei Künstler gemeinsam oder gegeneinander antreten zu lassen, werden bei der Gruppenschau überdeutlich. Früher erlebten die Besucher einen Dialog der künstlerischen Fragestellungen, konnten Vergleiche anstellen, Parallelitäten und Diskrepanzen ausmachen. In der Berlinischen Galerie, verteilt auf zwei unzusammenhängende Räume, bleiben die Positionen isoliert. Tilman Wendland scheint da die Ausstellungspraxis ganz bewusst zu unterlaufen und heftet nur einen großen Bogen weißes Papier mit zwei Nägeln an die Wand. Die minimalistische, sich weiß auf weiß wölbende Struktur bezieht ihre Energie aus der bloßen Form.

Die Schwedin Sofia Hultén unterzieht Fundstücke einer skulpturalen Befragung: Wie stehen Material und Funktionen miteinander in Verbindung? Was erfährt man, wenn sich Funktionen verändern? „Points in a Room Condensing“ zeigt kleine, gerahmte Fotografien. Eine Hand hält ein Kügelchen, eine Glühbirne hängt vor einem Schrank, ein Wollknäuel liegt auf einem Tisch. Irgendeine Verbindung haben die Dinge, nur welche? Dokumentieren die Fotos eine Metamorphose? Am Ende der Serie steht ein Schrank, der womöglich die Lösung enthält, aber der Schlüssel fehlt.

Sibylle Kesslau fügt dem Ausstellungsbetrieb ein neues Format zu. Ihre „Mappenmöbelgalerie“ hat sie sogar als Marke beim Bundespatentamt eintragen lassen. Sie will den Plagegeist jeder künstlerischen Ausbildung und den Initiationsritus jeder Akademie gebührend würdigen: die Mappe. Auch der Weg zum Senatsstipendium führt über die Mappenpräsentation. Kesslau fordert nun „eine effiziente Antwort auf ein unbewegliches und verschlossenes Kunstbusiness, das wenige Künstler und deren Werke zur spekulativen Kunstware erklärt und verkorkste Kunsttrends auslöst, die für die Entwicklung der Künste aproduktiv sind.“

Ein Trend, der besonders durch den deutschen Kunstmarkt fegt, ist seit Jahren die Auseinandersetzung mit realistischen Malweisen. Seine Vertreter fehlen nicht unter den Senatsstipendiaten. Marc Brandenburg zeichnet nach Fotografien mit Bleistift. Der saubere Strich schraffiert aber nicht immer so saubere Motive. Da tauchen pornografische Szenen auf und Totenkopfmasken, die das sexuell Anziehende mit Drohungen umstellen. Brandenburg vertauscht Helldunkelwerte, skizziert diabolische Hasengesichter, lässt Naturszenen in flirrender Abstraktion aufgehen und Stadtbilder in Bewegungsunschärfe. Den glatten Realismus der Oberfläche fordert er zum Duell mit den rätselhaften Bildsujets.

Zu den Stipendiaten gehört auch Michael Stevenson, in Berlin lebender Neuseeländer, der sein Land auf den Biennalen in Sydney (2002) und Venedig (2003) vertreten hat. Er hat sich mit einem komplexen Projekt der Aufarbeitung eines schottischen Künstlers gewidmet. Als „Post-Gauguin und Proto-Hippie“ war dieser Ian Fairweather durch die britischen Kolonialwelten in Asien und Ozeanien gereist, um dann 1952 auf abenteuerliche Weise ohne Geld nach England zurückzukehren. Inspiriert von Zeitungsartikeln, unternimmt Stevenson mit seiner Installation „Das Strandgut“ einen historisch-utopischen Blick auf Material- und Geldkreisläufe.

Das Geld, das fehlt, hat nicht nur Fairweather zu ungewöhnlichen Abenteuern getrieben, es bestimmt auch die Zukunft. Die ehemalige Kunstbank ist inzwischen anderweitig vermietet, die Senatsverwaltung setzt auf Gruppenausstellungen. Die nächste, mit Werken der 2006 Geförderten, wird im Kunstraum Kreuzberg stattfinden.

MARCUS WOELLER

„Abgebrannt“. Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, Mo.–So. 10–18 Uhr, bis 8. Oktober