XXP auf’m Schrottplatz

Der Informationskanal XXP, Prestigeobjekt von „Spiegel“-Chef Stefan Aust, stellt den Betrieb ein. Grund: Kaum Zuschauer. Stattdessen gibt es ab morgen „DMAX“, ein „Programm für Männer“

Die intakte Öffentlichkeit war nicht scharf auf ein Retortenfernsehen, dem die Highlights fehlten

VON JÖRG SUNDERMEIER

Sie hatten so viel vor. Und sie hatten es sich nicht leicht gemacht, denn stets waren sie die Pioniere, die Truppe folgte viel später nach. Warum also nicht einen eigenen Fernsehsender gründen, als Experimentierfeld, doch auch als späteres eigenes Standbein. Stefan Aust und Alexander Kluge hatten mit ihrem XXP vor, die Fernsehlandschaft neu aufzurollen, so wie Kluge es schon mal mit seinen Sendeplätzen auf VOX versucht hatte und so wie Aust es als hemdsärmeliger Spiegel-TV-Moderator geschafft hatte, einer der einflussreichsten Medienmänner in Deutschland zu werden.

Das von ihm geleitete Magazin und in Partnerschaft mit Kluges DCTP gesendete Magazin Spiegel TV hatte es geschafft, ein Umdenken in den deutschen Privatsendern herbeizuführen. Ohne Spiegel TV gäbe es vermutlich noch heute keinen Begriff von Infotainment in Deutschland. Es sah also gut aus, Kluge, der Fernsehrevolutionär, und Aust, der Erfolgreiche, wollten ein weiteres Mal Pionierarbeit leisten. XXP jedoch, das gemeinsame Kind von DCTP und Spiegel TV, in das Aust so große Hoffnungen gesetzt hatte, krankte von Anbeginn.

Trotz einer Reichweite von immerhin 27 Millionen Haushalten erreichte der Sender selbst in seinen besten Zeiten nicht einmal 1 Prozent der FernsehzuschauerInnen. Am 4. Juli 2002, rund ein Jahr nach dem Start des Senders, gab XXP eine Presseerklärung heraus, in der 0,4 Prozent Marktanteil in Berlin zu einer Jubelmeldung hochstilisiert wurden. „Dass XXP mit seinem qualitativ anspruchsvollen Programm in knapp einem Jahr einen relativ hohen Marktanteil erreichen konnte, zeigt uns, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Der hohe Marktanteil, das starke Zuschauerinteresse und die vielen Zuschriften, die wir erhalten, bestärken uns in unserer Absicht, weiter in den Sender zu investieren und das XXP-Programmangebot mit neuen Eigenproduktionen kontinuierlich zu erweitern“, ließ Stefan Aust damals verbreiten. Die Verzweiflung ist diesen Worten anzumerken, bedeutende Eigenproduktionen hingegen ließen auf sich warten.

Seit Januar dieses Jahres halten die ehemaligen Eigentümer von XXP gerade noch je 1 Prozent am Sender, der Discovery Channel hat den Sender übernommen und schließt ihn morgen. Ab Freitag wird auf dem gleichen Sendeplatz DMAX zu sehen sein, ein Programm „für Männer“, in dem Techniksendungen und Wissenschaft dominieren, das Ganze aber populär aufgemacht und nicht im Geringsten kompliziert. Doku-Soaps wie „Moneycoach – Rette dein Geld!“ und „Die Ludolfs – 4 Brüder auf’m Schrottplatz“ dominieren das Programm, das immerhin ein außerordentlich hohes und für Privatsender dieser Größe ungewöhnliches Maß an eigenproduzierten Sendungen bieten will.

Sogenannte Erotik findet sich zwar bislang nicht im DMAX-Programm. Was man aber in der DMAX-Programmleitung von Männern denkt, ist klar: Männer arbeiten hart, tragen hässliche Kleidung und schrauben in der Freizeit ebenfalls hart arbeitend am Motor oder in der Wohnung – oder aber sie sehen anderen Männern dabei zu. Männerbündisches in der Soft-Version sozusagen, zumindest haben Sportereignisse und Waffen noch keinen Platz im Programm.

XXP ist derweil schon so gut wie verschwunden, auf der Website wird bereits für DMAX geworben. Dabei war XXP ein durchaus mutiges Experiment, wollte man doch ein Fernsehen nach dem „Herausgeberprinzip“ etablieren, ein „Metropolenprogramm“, wie es die Verantwortlichen im Jargon der Achtzigerjahre-Hipster nannten.

Die Tagesabläufe waren strikt vorprogrammiert, am Montag etwa hieß das Motto „Gegenwart“, am Freitag „Kontinente“, am Sonntag „Kultur“. Die Macher von XXP hofften offensichtlich, Formate wie „Die lange Nacht des …“ oder den „Themenabend“ über einen ganzen Tag hinweg dehnen zu können. Doch reichte der Wille nicht und offensichtlich auch nicht das Geld – XXP wurde sehr schnell vom Herausgeberfernsehen zum Verwertungssender. Genau das also, was man beim Nachfolgesender DMAX gewissermaßen prophylaktisch obskur findet, die Eigenproduktionen nämlich, fand bei XXP nicht statt, lediglich ein eigenes Nachrichtenmagazin wurde produziert.

„Fernsehen ist das Leitmedium unserer Zeit. Es muss sich am Leben außerhalb des Fernsehens orientieren, an wirklichen Verhältnissen. Darauf gründet sich unser Selbstbewusstsein. Ohne solches Selbstbewusstsein entsteht keine intakte Öffentlichkeit“, hatte Alexander Kluge bei der Vorstellung des ersten XXP-Programms erklärt. Doch die intakte Öffentlichkeit war nicht scharf auf ein Retortenfernsehen, dem die Highlights fehlten, das kaum Kontakt zu „den wirklichen Verhältnissen“ hatte und dessen Programmplanung zusehends undurchsichtig wurde.

Die Idee vom Fernsehen nach dem „Herausgeberprinzip“ ist gut; in Zeiten, in denen selbst der Konsum kuratiert werden muss, damit er fröhlich stattfinden kann, ist es richtig, auch das Sehverhalten lenken zu wollen. Das aber geht nicht nur mit Mut und schönen Behauptungen, Geld braucht es auch.

Solange das nicht riskiert wird, werden die „Brüder auf’m Schrottplatz“, ihre Heimwerkerfreunde und die unsäglichen Rätselshows die kleineren Sender beherrschen.