Kaczyński mimt den Liberalen

Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel versucht Polens Premier die EU-Partner zu beruhigen

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Ganze fünfzehn Minuten nahm sich Polens Premier Jarosław Kaczyński gestern Zeit, um seine Charme-Offensive vor der europäischen Presse zu starten. Der Financial Times Deutschland hatte er vorab verraten, seine erste Auslandsreise habe ihn nach Brüssel geführt, um das schlechte Image seines Landes zu verbessern. Nach dem Gespräch mit Kommissionspräsident Barroso gestand er: „Ich bin nun viel beruhigter als vor meiner Reise, dass wir vor drei Jahren richtig gelegen haben, als wir Polens Beitritt zur Europäischen Union unterstützten.“

Die Kritik an Polens innenpolitischem Kurs wies er lapidar zurück: „Polen bleibt demokratisch – im weitesten Sinne dieses Wortes.“ Zur Situation der Homosexuellen sagte er: „Es gibt heute in Polen homosexuelle Organisationen – sogar Zeitschriften – all das funktioniert völlig problemlos.“ Auf eine Frage zur politischen Orientierung des katholischen „Radio Maria“ sagte er: „Es kommt vor, dass Zuhörer etwas Antisemitisches äußern – das wird unverzüglich durch den Moderator unterbunden.“ Im Übrigen sei Polen ein treuerer Freund Israels als viele andere europäische Regierungen.

Welche Nachbesserungen Polen bei der EU-Verfassung wünscht, wollte Kaczyński noch nicht verraten. Er ließ aber durchblicken, dass das politische Gewicht der neuen Mitgliedsländer im Entscheidungsprozess erhöht werden müsse. Natürlich betreffe diese Forderung vor allem Polen, das ja das größte und wichtigste der neuen Mitglieder sei.

Kommissionspräsident Barroso versicherte, Kaczyński habe seine Befürchtungen zerstreut, dass in Polen Minderheitenrechte oder europäische Werte nicht respektiert würden. In der Werftenfrage allerdings blieb der Kommissionspräsident hart: „Staatliche Beihilfen sind strengen Bedingungen unterworfen – und die gelten für Polen wie für alle anderen im Binnenmarkt.“

Freunde hat sich Polens neuer Regierungschef bislang in Brüssel nicht gemacht. In seiner Regierungserklärung betonte er, Polen müsse seine „volle Souveränität“ bewahren – vor allem in Fragen der Moral und der Kultur. Was die Kaczyński-Brüder darunter verstehen, sorgt in vielen Mitgliedstaaten für Unruhe – vor allem die Forderung, die Todesstrafe wieder einzuführen.

Der grüne EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit forderte die EU-Politiker auf, Klartext mit dem Gast aus Warschau zu reden. „Er weiß genau: Solange Polen in der EU ist, wird die Todesstrafe in Polen nicht wieder eingeführt werden.“ Die Kaczyński-Brüder müssten auch darauf hingewiesen werden, dass Minderheitenrechte in der EU großgeschrieben würden. „Die Freiheit und die Freiheit der sexuellen Orientierung gehen genauso zusammen wie zwei Zwillinge“, sagte der grüne Fraktionsvorsitzende in Anspielung auf Repressalien gegen Homosexuelle in Polen.

„Wir halten an eigenen Entscheidungen in Angelegenheiten fest, die mit unserer spezifischen politischen und geopolitischen Situation verbunden sind“, sagte Jarosław Kaczyński bei der Amtsübernahme. Dahinter steckt der Widerstand gegen die Erdöl-Pipeline durch die Ostsee und die Forderung, die Ukraine möglichst rasch in die EU aufzunehmen. Aber auch die spezielle Bündnistreue zu den USA wird von der neuen Regierung besonders hochgehalten. Warschau werde seine knapp tausend Soldaten aus dem Irak nicht abziehen. „Polen ist keine Nation von Deserteuren“, betonte Kaczyński und brüskierte indirekt Länder wie Spanien, die ihre Soldaten aus dem Irak abgezogen haben.

Vom Geldsegen aus Brüssel distanziert sich der neue Premier aber keineswegs. Anfang des Monats weihte er ein hundert Kilometer langes Teilstück einer Autobahn ein, die künftig Warschau mit Berlin verbinden soll. 80 Prozent der verbauten Mittel stammen aus Fördertöpfen der Europäischen Union.