Europa belässt es bei Sanktiönchen

SANKTIONEN USA verhängen wegen der Krimkrise Einreiseverbote. Die EU belässt es beim vorläufigen Stopp von Verhandlungen mit Russland über Visa-Erleichterungen. Osteuropäer verlangen schärfere Sanktionen

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Amerika handelt, Europa zögert. Während die 28 EU-Chefs am Donnerstag noch auf einem Sondergipfel in Brüssel über Sanktionen gegen Russland wegen der Krimkrise berieten, schuf US-Präsident Barack Obama am Donnerstag Fakten. „Als Antwort auf die anhaltende russische Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine“ würden Einreiseverbote verhängt, teilte das US-Außenministerium mit. Welche Personen genau betroffen sind, blieb zunächst unklar, Präsident Putin jedenfalls nicht. Zudem sollten russische Bankguthaben eingefroren werden.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war dies ein Nackenschlag. Schließlich war sie in der festen Absicht nach Brüssel gereist, die Tür für Verhandlungen mit Moskau offen zu halten. Durch den amerikanischen Vorstoß, der mitten in den EU-Gipfel hereinplatzte, gewannen jedoch die Hardliner in Europa an Oberwasser.

Vor allem die Präsidentin der früheren Sowjetrepublik Litauen, Dalia Grybauskaite, machte Druck. Sie warf den EU-Staaten vor, nicht entschlossen genug auf die „russische Aggression“ zu reagieren: „Europa versteht immer noch nicht, was passiert. Wir müssen verstehen, dass Russland gefährlich ist.“ Putin wolle die Grenzen in Europa neu ziehen, warnte sie. Als Nächstes sei Moldawien dran.

Der neue ukrainische Premier Arseni Jazenjuk appellierte zunächst diplomatisch an Putin: „Reißen Sie diese Mauer nieder, beenden Sie die Politik der Einschüchterung.“ Kurz darauf goss er jedoch Öl ins Feuer und drohte mit militärischer Vergeltung, falls Putin auf der Krim weiter zündeln sollte.

Durchgesetzt haben sich in Brüssel am Donnerstagabend jedoch die Tauben: Die EU-Regierungschefs beschlossen lediglich, die Verhandlungen über Visa-Erleichterungen sowie über ein neues Grundlageabkommen mit Russland auszusetzen. Das teilte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy mit. Harte Handelssanktionen konnte Berlin zusammen mit London, das um milliardenschwere Investitionen russischer Oligarchen in der Londoner City fürchtet, zunächst abwenden. Für den Fall, dass Moskau Gespräche verweigert, droht die EU allerdings mit diesen dickeren Daumenschrauben.

Dass der Gipfel überhaupt über Sanktionen beriet, galt schon als eine Schlappe für die deutsche Außenpolitik. Denn Merkel hatte gehofft, Putin rechtzeitig vor dem EU-Treffen in Brüssel zum Einlenken zu bewegen. Sie telefonierte noch am Donnerstagmorgen mit dem Kremlchef, um ihm Zugeständnisse abzuringen – offenbar vergeblich. Deutschland hatte zwar schon bei einem Außenministertreffen am Montag den nun beschlossenen Sanktionen zugestimmt, doch diese sind eher symbolischer Natur.

Gegen ein hartes Vorgehen hatten sich auch Frankreich, Italien und die Niederlande ausgesprochen. Zu den Falken gehören Polen, Schweden, die baltischen Staaten und einige Osteuropäer wie Polen und Ungarn.

Die Osteuropäer forderten, es den USA gleichzutun und die Russen dort zu treffen, wo es am meisten wehtut: beim Geldbeutel. Im Gespräch war unter anderem, russischen Banken das Geschäft im Westen zu erschweren, die Konten russischer Politikern zu sperren oder den Handel einzuschränken, die wohl wirksamste Waffe.

Die Hardliner können sich auf eine wichtige Verbündete in der US-Administration stützen: Victoria Nuland, die für Europa und Eurasien zuständige stellvertretende US-Außenministerin. Sie dürfte sich am Donnerstag gefreut haben: Noch vor Beginn des Gipfels beschloss die EU Sanktionen gegen den Expräsidenten Wiktor Janukowitsch und seinen Clan. Dann begrüßten die Staats- und Regierungschefs Jazenjuk in Brüssel.

Damit erkannten sie Jazenjuks Regierung hochoffiziell an. Noch ungewöhnlicher war das Hilfspaket, das Jazenjuk mit auf den Weg gegeben wurde. Es beläuft sich auf mehr als 11 Milliarden Euro, davon 2 Milliarden aus dem klammen EU-Gemeinschaftsbudget.

Jazenjuk versuchte, Bedenken zu zerstreuen. Man werde das EU-Abkommen schnellstmöglich unterzeichnen, sagte er. Außerdem werde man alle Reformwünsche umsetzen. Dazu zählt eine drastische Erhöhung des bisher subventionierten Gaspreises für private Haushalte, die der IWF fordert. Auch Budgetkürzungen und Entlassungen kommen auf die Ukraine zu – neue Proteste sind programmiert.