Blauäugige US-Amerikanerin

Rund zweieinhalb Jahre lang war Liz Wahl eines der Gesichter des von der russischen Regierung finanzierten Senders Russia Today (RT). In den USA als Kind einer ungarischstämmigen Familie geboren, arbeitete sie vom Washingtoner Büro des Senders aus für das englischsprachige Programm. Am Mittwoch kündigte sie – vor laufender Kamera. Sie könne nicht für ein Programm arbeiten, das die russische Politik in der Ukraine reinwasche, sagte Wahl. Ihre Großeltern seien in den fünfziger Jahren aus Ungarn in die USA geflohen, um dieser Art von Meinungsunfreiheit zu entkommen. Sie sei „stolz, eine Amerikanerin zu sein“.

Im Interview mit Anderson Cooper von CNN sagte sie später, sie habe schon länger starken Druck gespürt; aus Interviews zum Beispiel seien ihre russlandkritische Fragen herausgeschnitten worden. Seit Beginn der Ukrainekrise sei es bei RT nur noch darum gegangen, „putinistische Propaganda“ zu verbreiten. Insgesamt sei es RT-Linie, Putins Positionen zu verbreiten und auf die USA einzuschlagen.

Auf die Frage, warum sie überhaupt erst bei RT angefangen habe, sagte sie, das Ausmaß der Propaganda und harten redaktionellen Linie sei ihr damals nicht bewusst gewesen.

Bereits Anfang der Woche hatte es bei RT einen Aufschrei gegeben, als Moderatorin Abby Martin im Nachspann zu ihrer Sendung die russische Militärintervention auf der Krim scharf kritisiert hatte. Martin allerdings bleibt bei RT, äußert sich in Interviews kritisch gegen jede Militärintervention und erinnert die US-Medienunternehmen an ihre faktische Gleichschaltung im Vorfeld des Irakkrieges. Ihr sei bewusst, dass RT insgesamt die Positionen der russischen Regierung vertrete, in ihrer eigenen Sendung jedoch könne sie sagen, was sie wolle. Die Chefredaktion habe sie darüber informiert, dass ihre Äußerungen nicht der redaktionellen Linie entsprächen –mehr sei nicht passiert.

RT hatte sich in den letzten Jahren in den USA zu einem Kanal für Positionen entwickelt, die in anderen Medien kaum vorkommen. Im Herbst 2012 etwa zeigte nur RT die Debatte der Präsidentschaftskandidaten kleinerer Parteien, moderiert vom ehemaligen CNN-Interview-Star Larry King. BERND PICKERT