Stifte sollen schuften

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke fordert Nachtarbeit bis 23 Uhr für Gastronomie-Lehrlinge. Die Meldung ist ein Irrläufer aus dem Jahr 2004, aber topaktuell: Klimke bleibt dabei

von Kaija Kutter

Merkwürdiges spielte sich am Donnerstag auf der Internetseite des CDU-Landesverbands ab. Gegen Mittag entdeckte die DGB-Jugend dort eine Pressemitteilung des CDU-Politikers Jürgen Klimke. Am Nachmittag war sie wieder weg. „Vielleicht ging das denen doch zu weit“, vermutet DGB-Sprecherin Claudia Falk.

„Warum darf ein Jugendlicher um 22 Uhr in der Kneipe sitzen und ein Bier nach dem anderen trinken, aber keinesfalls dort bedienen?“, fragte der Bundestagsabgeordnete. Die Nachtarbeitserlaubnis müsse von 22 auf 23 Uhr verlängert werden. Statt eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen, solle die Regierung durch Entbürokratisierung „Lehrstellen schaffen“.

Die DGB-Jugend hatte gerade erst eine Ausbildungsumlage unter den Kammern gefordert ( siehe Seite 29) und sah Klimkes Worte als Reaktion. „Auszubildende sollen lernen und nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden“, schoss ihr Vorsitzender Olaf Schwede zurück. Es gebe keine Ausbildungsinhalte, die nicht „bis 22 Uhr zu vermitteln wären“. Physisch und psychisch wären 15-, 16-Jährige nicht so belastbar wie Erwachsene. Und es gebe einen Unterschied zwischen „gelegentlichen geselligen Abenden“ und dem „täglichen Schleppen von schweren Tabletts“.

In der CDU-Zentrale am Leinpfad wunderte sich Sprecher Michael Ohm über den DGB. Schließlich gab es am Donnerstag keine Mitteilung von Klimke. Eine Mitarbeiterin habe das digitale Archiv aufgeräumt, in einer Zeit, in der der Provider den Server umgeschaltet habe. Ohm: „Dadurch ist die alte Meldung hochgerutscht und es kam zu dieser Missinformation“.

Klimke allerdings steht zu seinen Worten. Er habe sich beim Gaststättenverband rückversichert, diese könnten unter 18-Jährige nicht als Lehrlinge nehmen, wegen des Spätarbeitsverbots. „Darunter leiden Haupt- und Realschüler, für die dieser Beruf geeignet wäre.“

Klimkes „Provakation“ stammt aus dem März 2004. Die Zeit hat für seine Idee gearbeitet. Inzwischen gibt es eine Initiative des CDU-regierten Saarlandes, aus der eine Bund-Länder-Kommission ein neues Jugendarbeitsschutzgesetz entwickelt. Laut Initiative sollen 16jährige Azubis bis 23 Uhr arbeiten und auch Samstags- und Sonntagsschichten schieben. Skurril mutet die vorgeschlagene Streichung des „Züchtigungsverbots“ durch Arbeitgeber an. Diese sei verzichtbar, weil Züchtigung per Strafrecht verboten ist.

Für die DGB-Jugend ist auch dies eine Verschlechterung. Können sich doch bislang misshandelte Azubis an die Kammern wenden, die den Vorfall klären müssen. Falk: „Künftig muss ein Jugendlicher individuell klagen. Wer tut das schon?“ Aufgerüttelt durch die Fehlmeldung sucht die DGB-Jugend jetzt „Paten“, die sich für den Erhalt des Jugendschutzgesetzes einsetzen.

Infos unter www.haendeweg.net.ms