„Nicht mehr so massiv“

DISKRIMINIERUNG Die Konflikte sind feiner geworden und zäher, sagt Arbeitsrechtler Klaus Bertelsmann. Geht’s um Aufstiegschancen und kinderkompatible Stellen, wird es schwer

■ 64, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er hat gut drei Jahre lang in der Hamburger „Leitstelle Gleichstellung der Frau“ gearbeitet.

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Gibt es einen typisch weiblichen oder typisch männlichen Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz, Herr Bertelsmann?

Klaus Bertelsmann: Ich habe heute lange mit Kolleginnen darüber gesprochen: Es gibt zugeschriebene Standardcharakteristika – die aber nicht stimmen.

Das heißt, Sie haben keine Unterschiede festgestellt?

Es kann sein, dass Frauen bei Konfliktsituationen in der Tendenz weniger direkt sind, sich etwas mehr gefallen lassen.

Dabei kommen gerade die Frauen, die sich wehren, zu Ihnen.

Diese Frauen haben natürlich eine Vorgeschichte, an der man oft ablesen kann, dass es noch mehr Stress bedurfte, ehe sie sich wehren. Aber die Unterschiede richten sich eher nach Branchen.

Welches sind die?

Wenn im Medienbereich ein Vorgesetzter kommt und sagt: „Es geht nicht mehr, wir wollen kündigen“, dann sind Frauen und Männer viel eher bereit, zu sagen: „Wenn die mich nicht wollen, dann will ich auch nicht mehr – was für eine Abfindung gibt es?“ Während im Produktionsbereich gesagt wird: „Ich will hier weiterarbeiten. Punkt.“

Es heißt oft, dass Frauen kaum höhere Gehälter einfordern.

Es kann sein, dass Frauen da zurückhaltender sind. Das hat auch damit zu tun, welche Alternativen man hat. Bei den Pflege-Stellen im Krankenhaus, wo weitgehend Frauen arbeiten, gibt es nichts zu verhandeln. Wenn man Chefärztin ist, gibt es etwas zu verhandeln – die werden es vermutlich auch tun.

Haben sich die Konflikte seit Ihrer Zeit bei der „Leitstelle der Gleichstellung der Frau“ Anfang der 80er verändert?

Das war eine andere Zeit, da waren die Ungleichbehandlungen noch so massiv und offen, dass die Konflikte schneller zu lösen waren, weil die Situation rechtlich so klar war. Etwa bei der Frage der Gehaltsgruppen. Heute ist das feiner geworden. Da ist nicht der Lohn einer einzelnen Frau geringer als der eines einzelnen Mannes in gleicher Position, sondern etwa der Durchschnitt der Zulagen von Frauen insgesamt.

Ist die schöne neue Welt der Gleichstellung schon da?

Sicher nicht. Beim Entgeld ist weniger Diskriminierung spürbar, die gibt es eher bei Zulagen und einzelvertraglichen Vereinbarungen. Das Hauptfeld liegt bei Einstellungen und Aufstiegschancen. Da gibt es Bereiche, in denen keine Frauen gewollt sind. Es gibt massive Probleme in höheren Funktionen, wenn Frauen es wagen, Kinder zu bekommen oder Teilzeit arbeiten wollen.

Ist es schwierig, da zu klagen?

Die Arbeitgeber stellen sich nicht mehr so offen blöde an wie früher. Wenn man das etwas feinsinniger macht, kommt man leicht damit durch. Die Arbeitnehmerinnen haben bei Bewerbungen keinen Auskunftsanspruch, wer genommen wurde. Diskriminierungen sind deshalb weiter schwer erkennbar.