„Zustände wie im Mittelalter“

GEBURTSHILFE Vielerorts demonstrieren Eltern für die freien Hebammen. In Schleswig-Holstein schließt derweil noch eine Entbindungsklinik

„Seid laut für unsere Hebammen!“ In Hamburg, Hannover und Bremen sowie in zehn weiteren Städten bundesweit demonstrieren an diesem Frauen-Samstag Geburtshelferinnen, aber auch Eltern und Schwangere: Sie fürchten das Aus für den Berufsstand. Denn für die freiberuflichen Hebammen wird es immer teurer, eine Haftpflicht-Versicherung gegen Geburtsschäden abzuschließen. Und ab Sommer 2015 gibt es gar keinen Versicherer mehr, der sie versichern will. Der Hintergrund: Nicht die Zahl der geschädigten Kinder steigt, sondern die Schadenssummen.

Wie sehr die Geburtshilfe insgesamt in der Krise ist, zeigt sich auch an der Vielzahl von geschlossenen Geburtshilfestationen. Der jüngste Fall im Norden: die Station im schleswig-holsteinischen Oldenburg. Wie zuletzt auf Sylt rechnete es sich für die Sana-Klinik nicht mehr, mit jährlich 180 Geburten einen Kreißsaal aufrecht zu erhalten. Erst ab 800 Geburten lohnt sich eine solche Station.

Die Sana-Klinik will jetzt die Spezialstation in der Schwesterklinik in Eutin ausbauen und begründete dies mit dem Wunsch vieler Eltern nach einer Geburt in einem Perinatalzentrum. In Schleswig-Holstein sind neun der 22 Entbindungskliniken als Perinatalzentren eingestuft. Sie halten mehr Fachärzte, Intensivbetten für Babys und OP-Räume vor.

Der Ersatzkassenverband Schleswig-Holstein sprach sich zu Jahresanfang dafür aus, kleinere Geburtskliniken zu schließen. Johann Brunkhorst von der Techniker-Krankenkasse legte jetzt nach: „Bestmögliche Behandlungsqualität ist höher einzuschätzen als der Wunsch nach einer wohnortnahen Versorgung.“

Während Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) Verständnis für die Sana-Entscheidung zeigte, warnte Katja Rathje-Hoffmann (CDU) vor der Konzentration auf wenige Standorte. Auch Anita Klahn (FDP) tritt für ein Wahlrecht ein: Frauen müssten „die Chance haben, eine normale Klinik in der Nachbarschaft aufzusuchen“. Sie erkenne allmählich „Zustände wie im Mittelalter“, sagt Klahn weiter: „Da musste man auch Tage vor einer Geburt losziehen, um Hilfe aufzutreiben.“

Zur Verbesserung der Lage der freien Hebammen hat das Land Schleswig-Holstein eine Bundesratsinitiative gestartet.  EST