Flatterhafte Besucher

Berlins Fledermäuse suchen zurzeit geeignete Winterquartiere. Wer die Tiere überraschend in seiner Wohnung antrifft, muss nicht in Panik geraten: In der Regel finden sie den Weg ins Freie von allein

von WALTRAUD SCHWAB

„Wir haben Fledermäuse im Zimmer.“ – Mit diesen Worten hatte Martina Schmidts Mann sie geweckt. „Ich wollte nicht, dass du das verpasst.“ Schmidt ist begeistert: „In was für einer tollen Stadt wohne ich. Auf Tuchfühlung mit solchen Tieren“, schwärmt sie. „Ich lag da und sah die Schatten ihrer Flügel über meinem Bett.“

Mindestens eine halbe Stunde dauerte der Spuk. Dann, erzählt Schmidt, verließen die Tiere ihre Wohnung im dritten Stock wieder durch die Balkontür.

Die Weddingerin und ihr Mann hatten vor Jahren schon einmal Besuch. „Damals war es nur ein einzelnes Tier. Diesmal waren es bestimmt vier oder fünf“, schätzt Martina Schmidt. Das spreche für Zwergfledermäuse. Anders als die Breitflügelfledermaus trete diese Art eher in Gruppen auf. Schmidt möchte solche Berührungen mit der Natur jedenfalls nicht missen. Die gebürtige Reinickendorferin wusste, dass die Fledermäuse in der Regel von allein verschwinden, manchmal allerdings auch erst nach einem Tag.

„Man kann nicht oft genug betonen, dass Fledermäuse harmlos sind“, sagt Gabriele Müller vom Berliner Artenschutzteam e. V., das den Fledermauskeller in der Zitadelle Spandau betreut und dort auch das jährliche Fledermausfest veranstaltet. An diesem Wochenende findet es zum zehnten Mal statt. Müller kennt Schauergeschichten von Leuten, die die Eindringlinge totschlugen. „Dabei sind die Tiere große Insektenjäger, die uns das Leben in der Stadt leichter machen. Eine Fledermaus vertilgt etwa 3.000 Insekten pro Nacht.“

Aber warum der nächtliche Besuch? Derzeit sind die Fledermäuse auf Winterquartiersuche. Die Quartiere müssen frostfrei, feucht, aber frei von Zugluft sein, weiß Müller. Ein kleines Tier kommt mit kaum fünf Gramm Fett durch die kalte Jahreszeit. Deshalb ist es so wichtig, dass Fledermäuse beim Winterschlaf ungestört bleiben. Ihr Fettvorrat wird zu schnell aufgebraucht, wenn sie aus dem Schlaf gerissen werden und der Organismus wieder auf Trab kommt.

Das beliebteste Winterquartier der Berliner Fledermäuse ist die Spandauer Zitadelle. Das Gemäuer ist eine der größten Zufluchtsstätten für die schützenswerten Tiere in Europa. Schätzungsweise 10.000 Exemplare von neun verschiedenen Arten fliegen dort ein und aus.

Im gesamten Stadtgebiet existieren etwa 30 bedeutendere Winterquartiere. Eines ist das Wasserwerk Friedrichshagen, wo viele Fransenfledermäuse, das Braune Langohr und Wasserfledermäuse überwintern. Auch sehr beliebt: der alte Sandfilter im Wasserwerk Tegel. Die Artenhilfsmaßnahmen der obersten Naturschutzbehörde haben dort zu einem enormen Bestandsanstieg, vor allem des Großen Mausohrs, geführt.