„Es war Liebe auf den ersten Blick“

Berliner sind in Fledermausdingen aufgeklärt, findet Susanne Rosenau. Die Expertin hilft aber, wenn jemand geflügelten Besuch bekommt. Sie selbst ist fasziniert von den Tieren

taz: Frau Rosenau, es ist Fledermauszeit. Die Tiere suchen sich ihr Winterquartier. Worauf müssen sich die BerlinerInnen einstellen?

Susanne Rosenau: Es kommt jetzt häufiger vor, dass die Tiere in Wohnungen fliegen. Meistens bemerken sie allerdings sehr schnell, dass diese als Quartier nicht sonderlich taugen, und verschwinden wieder.

Warum sind Wohnungen ungeeignet?

Sie sind in der Regel zu warm und zu trocken.

Und das merken die Tiere sofort?

Nicht immer sofort. Sie gucken sich zurzeit eben erst einmal um, hängen sich vielleicht auch mal in die Vorhänge oder wollen wissen, ob schon andere Fledermäuse da sind.

Heißt das, die Tiere verweilen gerne dort, wo sie schon Artgenossen antreffen?

Richtig, denn für die meisten Fledermäuse ist im Herbst Paarungszeit. Deshalb kann es auch passieren, dass eine Fledermaus, die sich in eine Wohnung verirrt, noch weitere Tiere von draußen anlockt.

Sie waren schon mal Fledermausbeauftragte der Stadt Berlin. Was macht so jemand?

Man steht den Behörden bei Fledermausproblemen mit Rat und Tat zur Seite.

Was sind denn Fledermausprobleme?

Wir beraten etwa, wie öffentliche Gebäude fledermausfreundlich saniert werden können. Zudem stehen wir der Bevölkerung ehrenamtlich zur Verfügung.

Das heißt, Sie helfen, wenn Leute bei einer Fledermausinvasion im Schlafzimmer in Panik geraten.

Oder wenn sie Fledermäuse auf der Straße finden.

Kennen Sie Panikgeschichten?

Es gibt natürlich so wilde Sachen wie Fledermäuse, die sich in den Haaren der Leute verheddert haben sollen. Aber das ist Humbug. Die Tiere haben ein wunderbar ausgebildetes Ortungssystem und können sogar Spinnennetzen aus dem Weg fliegen. Da dürfte ein Haarschopf kein Problem sein. Das sind Geschichten aus Omas Zeiten, als Fledermäuse noch als was ganz Unheimliches galten.

Heute gilt der Mythos Fledermaus nicht mehr?

Die Berliner sind recht aufgeklärt, was Fledermäuse angeht. Die meisten wissen, dass das keine Vampire sind. Bei uns gibt es die südamerikanischen Vampirfledermäuse nur im Zoo.

Muss man sich um die Berliner Fledermaus-Population eigentlich Sorgen machen? Gab es dieses Jahr durch die Hitze nicht sehr viel weniger Insekten als früher?

Was die Naturextreme angeht, da hat man keinen Einfluss drauf. Worüber man sich Sorgen machen muss, sind die Quartiermöglichkeiten. Die Tiere leben auf Dachböden, in Ritzen und Spalten in Altbauten. Sie überwintern in Kellern, manchmal auch in Baumhöhlen. Wenn nicht fledermausfreundlich saniert wird, wenn der Altbaumbestand ständig weggeräumt wird, dann ist die Population gefährdet.

Was ist dran an dem Tollwutthema, das auch in Berlin kursiert?

Tatsächlich gibt es Fledermäuse, bei denen der Fledermaustollwut-Virus nachgewiesen wurde. Es ist ein besonderer Virus, der nur bei Fledermäusen vorkommt. Er hat nichts mit der Fuchstollwut tun. Man sollte trotzdem vorsichtig sein und sich, wenn man eine Fledermaus anfasst, nicht beißen lassen. Bisher gab es in Berlin aber noch nicht einmal Katzen, die an Fledermaustollwut erkrankt sind, und die fangen die Tiere ja sogar sehr häufig.

Sie sind seit Jahren Fledermausexpertin und -liebhaberin. Wie kam es dazu?

Es war Liebe, Faszination auf den ersten Blick. Ich war bei einer nächtlichen Exkursion dabei, als Fledermäuse gefangen wurden, und habe einer in die Augen geschaut. So müsste das mit den Menschen auch funktionieren.

Was macht die Tiere so interessant?

Sie leben mitten unter uns, sind überall und doch bekommen wir sie kaum mit. Sie sind Säugetiere wie wir und faszinieren durch ihre nächtliche Lebensweise. Manche Arten können 30 Jahre alt werden. Sie haben ein Fell, sind weich, haben Knopfaugen. Wenn man sie in der Hand hat, bleiben sie eher ruhig, gucken sich um, schlafen vielleicht sogar ein, wenn es schön warm ist.

INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB