MULTITASKING
: Reden und bohren

Ich finde es nicht witzig, überhaupt nicht. Das ist nun bitterer Ernst

Der Sauger und Wasser von links, der Bohrer von rechts. Die Betäubung war wohl etwas zu hoch dosiert, und so liege ich da und lasse das alles mit mir machen. Ein bis zwei Stunden würde es dauern, wie die Zahnärztin zuvor sagte, und dann sagte sie noch: Sie wissen, öfter mal bis in den Bauch atmen und die Schultern unten lassen, also das – sie lacht –, was man ohnehin des Öfteren tun sollte. Ich finde es nicht witzig, überhaupt nicht. Das ist nun bitterer Ernst, ich werde in den Bauch atmen, konzentriert und gleichmäßig, ich werde die Schultern unten lassen, konzentriert und gleichmäßig.

Es geht los, und sie erzählt gut gelaunt von ihrer Tochter, die früher in der Nähe der Bergmannstraße gewohnt habe und nun aber woanders und abends mittlerweile auch ganz woanders ausgehen würde, aber wo, das wisse sie nicht genau, und die Bergmannstraße, die habe sich auch erheblich verändert, sehr zum Vorteil, da gebe es ein interessantes Angebot. Und sie redet und redet, und ich denke, warum herrje, redet die Frau, als hätte sie seit Ewigkeiten nicht geredet, und da, da gegenüber sitzt doch die Zahnarzthelferin, die ja eine Helferin in der Berufsbezeichnung hat und auch in solchen Dingen helfen könnte. Das muss pure Strategie sein, die will mir helfen, klar.

Der Ku’damm, keine 200 Meter entfernt von der Praxis, habe sich dagegen sehr schlecht entwickelt. Ich sacke innerlich etwas weg. Die Betäubung scheint noch stärker zu werden. Ich denke: Multitasking, reden und bohren, hoffentlich kann sie das. Ich kann nicht mal liegen und richtig zuhören. Fünfmal H & M, dreimal Zara, das sei nicht schön, das sei doch langweilig. Ich bin benebelt und drifte mit den Gedanken weg. Als ich wieder bei mir bin, steht sie vor mir mit einer Pistole, die mit einer blauen Masse geladen ist. „Keine Angst, das ist für den Abdruck.“ Ich sage: „Sie erinnern mich an Schwarzenegger.“ BJÖRN KUHLIGK