„Die Kinder haben hier Ruhe“

AUS AFGHANISTAN In ihrer Heimat wurde sie mit dem Tod bedroht, nun will sich Nergez H. hier mit ihrer Familie ein Leben aufbauen. Jetzt freut sich die 33-Jährige, bald eine eigene Wohnung beziehen zu können

Bevor ich Mitte September mit meinem Mann und den drei Kindern in Berlin gelandet bin, wusste ich nichts über Deutschland. Es war uns auch relativ egal, in welches Land wir kommen – Hauptsache: raus aus Afghanistan.

Unser Haus in Kabul haben wir verkauft, um die Schlepper bezahlen zu können. Sie brachten uns über Dubai und die Türkei nach Deutschland, die Reise dauerte vierzig Tage. Wir haben, seitdem wir hierher gekommen sind, nur Hilfsbereitschaft erlebt – im Heim in Spandau, bei den Behörden … dafür bin ich dankbar. Sehen Sie sich meine 13-jährige Tochter an: Seit ganzen zwei Monaten besucht sie die Schule –und spricht schon so gut Deutsch, dass wir uns jeden Tag wundern. Auch mein 14-Jähriger macht gute Fortschritte – und der Zweijährige lacht viel. Die Kinder haben hier Ruhe und Sicherheit gefunden. Damit ist mein größter Wunsch bereits erfüllt.

Im April können wir sogar in eine eigene Wohnung ziehen, in Lichtenberg, darauf freue ich mich sehr. Wenn wir erst einmal in unseren eigenen vier Wänden leben, können hoffentlich auch mein Mann und ich die Anspannung ablegen, die uns immer noch begleitet. Im Flüchtlingswohnheim ist der Alltag rau und stressig, und die Erlebnisse in Afghanistan setzen uns noch zu. In Kabul hat mein Mann mit aus China importierten Hochzeitskleidern gehandelt. Ich habe als Friseurin gearbeitet, zuerst bei Kundinnen zu Hause, weil es für Frauen ein großes Risiko bedeutet, öffentlich einer Arbeit nachzugehen. Ich habe trotzdem irgendwann in einem öffentlichen Salon angefangen, um mehr Geld zu verdienen: Wir wollten, dass unsere Tochter eine Schule besucht und haben uns angestrengt, um eine Privatschule bezahlen zu können. Aber die Schule wurde immer wieder von Taliban bedroht, musste dauernd den Ort wechseln. Manchmal haben sich vor der Schule Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt, es war furchtbar. Wir erhielten einen Drohbrief von den Taliban: Ich sollte meine „unislamische“ Tätigkeit beenden, sonst würden sie uns umbringen.

Wir gingen zu den Behörden, aber die waren unfähig, uns zu beschützen. Irgendwann, wenn man in unserem Land ohne Angst und Terror leben kann, würde ich gern zurückkehren. Aber jetzt freue ich mich darauf, hier ein Leben aufzubauen, Deutsch zu lernen und vielleicht wieder in meinem Beruf zu arbeiten. PROTOKOLL: API