Der Schlappen-Streit

Im EM-Qualifikationsspiel gegen Irland dürfen die DFB-Kicker mit Fußballschuhen ihrer Wahl auflaufen – ein Teilerfolg für Sportartikelhersteller Nike

VON DOMINIK SCHOTTNER

Die Pressemitteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vom Donnerstag ließ eine wichtige Frage offen: Müssen Jens Lehmann, Miroslav Klose und andere Spieler, die nicht vom DFB-Ausrüster Adidas gesponsert werden, in Zukunft bei Länderspielen wirklich ihre Schuhe selber putzen, wie es die Bild gemeldet hatte? Okay, die Antwort wird wohl nicht darüber entscheiden, ob Deutschland sich für die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz qualifizieren wird. Schon eher ein Sieg im heutigen EM-Qualifikationsspiel gegen Irland in Stuttgart ((20.45 Uhr, live in der ARD). Aber der Bild-Grunzer ist das logische Tüpfelchen auf dem i respektive „Schuhkrieg“, der nun mit der Verlängerung des Ausrüstervertrages des DFB mit Adidas bis „mindestens 2014“ vorerst beendet wurde. Denn obwohl der neue Vertrag mit sofortiger Wirkung fremdgesponserten Spielern wie Klose und Lehmann freie Schuh- und Handschuhwahl gewährt, so beendet er doch nicht die Diskussionen um die Sponsorenverträge einiger Spieler, die denen des DFB zuwiderlaufen. Im Gegenteil.

Auch in den Bundesligavereinen möchten immer mehr Spieler in den Schuhen ihrer persönlichen Ausrüster auflaufen. Wie Recherchen der Sport-Bild ergaben, dürfen sie das jedoch bislang nur in 4 von 18 Vereinen problemlos. In den anderen 14 herrscht, wie bis zuletzt auch in der Nationalmannschaft, ein Schuhdiktat, das hier und da jedoch Ausnahmen kennt. So beim VfL Bochum: Vier Spieler schnüren dort statt Nike weiter ihre Adidas-Stiefel, weil sie schon vor ihrem Wechsel zum VfL Bochum mit den Herzogenaurachern vertraglich verbunden waren oder gesundheitsbedingt Spezialanfertigungen benötigen.

Davon unabhängig droht aber auch in anderen Produktbereichen Unbill, wie ein Branchenvertreter der taz verriet. Er glaubt, man werde nicht umhinkönnen, über die Werbeverträge, die nichts mit Sportausrüstung zu tun haben, etwa mit Mobilfunkunternehmen oder Lebensmittelfirmen, zu sprechen. Beispiel: der Präsident des FC Bayern München, Franz Beckenbauer. Wenngleich nicht mehr aktiv und somit als Parallele nur bedingt verwendbar, warb Beckenbauer häufig für direkte Konkurrenten der Sponsoren des FC Bayern. Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge fand das seinerzeit wenig ersprießlich: „Wir sind nicht glücklich mit dieser Verbindung“ sagte er etwa über Beckenbauers Vertrag mit O2. Der Hauptsponsor des Vereins ist die Deutsche Telekom.

Eine ähnliche Ausgangslage führte zum „Schuhkrieg“ zwischen dem DFB und einigen Nationalspielern. Weil Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff bis zum 1. August dieses Jahres für Nike warb (sein Vertrag ruht nach Bierhoffs Angaben angeblich seit Beginn seiner DFB-Tätigkeit), geriet er in den Verdacht, den Aufstand der von Nike und anderen Firmen gesponserten Spieler um Klose und Lehmann forciert zu haben. Ein Kommentar der Sport-Bild vom 23. August dieses Jahres stellte gar den Verdacht in den Raum, dass Bierhoff von Nike ein hübsches Sümmchen erhalten würde für den Fall, dass der DFB den Exklusivvertrag mit Adidas beenden würde: „Schon kursiert in der Branche das Gerücht“, heißt es wolkig in dem Sport-Bild-Kommentar, „Bierhoff werde von Nike im Erfolgsfall mit 500.000 Euro belohnt.“ Dagegen geht Bierhoff nun gerichtlich vor. Dem Axel-Springer-Verlag ließ er von seinem Anwalt Christian Schertz ein Schreiben übermitteln, in dem er eine Unterlassung, Gegendarstellung und Richtigstellung verlangt. Die Entscheidung, ob die Sport-Bild dieser Forderung nachkommen wird, war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch offen.

Bierhoff bekam derweil Ex-Sponsor vons einem Ex-Sponsor Rückendeckung. Olaf Markhoff, Unternehmenssprecher von Nike im deutschsprachigen Raum, sagte auf Anfrage: „Es gab keine derartige Klausel im Vertrag mit Oliver Bierhoff.“ Auch DFB-Sprecher Stephan Brause hat „keinen Zweifel an Bierhoff. Gehen Sie mal davon aus, dass alles in Ordnung ist.“

So können die Mini-Revoluzzer ihre neue Schuhfreiheit im Qualifikationsspiel gegen Irland erstmals ausleben. Achillessehnenprobleme, über die Jens Lehmann noch vor kurzem klagte, gehören so wohl der Vergangenheit an. Auch über die Verteilung des Geldes aus dem DFB-Marketingpool darf der Mannschaftsrat frei verfügen. Spieler, die in Länderspielen Adidas-Schuhe tragen, erhalten dabei voraussichtlich mehr Geld als die Fremdgänger. Wer deren Schuhe putzt, bleibt aber ungeklärt.