YOANI SÁNCHEZPOLITIK VON UNTEN
: Der grüne Fleck auf dem Bildschirm

Seit sechzig Jahren gibt es Fernsehen in Kuba. Lange war fast nur Castros grüne Uniform darin zu sehen. Heute entkommt man ihr durch verbotene Parabolantennen und DVDs

Dieses Jahr feiern wir Kubaner den sechzigsten Jahrestag der Einführung des Fernsehens. Wir waren das dritte Land in Lateinamerika und stolz auf die Verwirklichung des alten Traumes, Dinge zu sehen, die weit weg geschahen. Am Anfang liefen Nachrichten, Telenovelas und importierte Abenteuerfilme. Als die Revolution im Januar 1959 triumphierte, waren wir bereits geübte Fernsehzuschauer und konnten aus allen Provinzen den Einmarsch der Rebellen in die Hauptstadt verfolgen.

Wenig später verwandelten diese siegreichen Guerilleros alle Fernsehkanäle in Staatseigentum, und der Bildschirm wurde zur Haupttribüne der Revolution. Die Werbespots verschwanden, und an ihre Stelle traten Aufrufe, Wasser zu sparen, den Behinderten zu helfen und sich anständig zu benehmen.

Die traurigsten Fernsehjahre waren die Siebziger, als wir von Produktionen aus dem sozialistischen Lager überschwemmt wurden. Wir, die damals Kinder waren, erinnern uns an russische Zeichentrickfilme, in denen die Landschaft eine unendliche Steppe war, in der ein Mädchen weinte, ohne Trost zu finden.

In den Achtzigern kam der frische Wind brasilianischer Telenovelas. Am Tag, als die letzte Folge der Serie „Die Sklavin Isaura“ gezeigt wurde, musste ein Zug einen außerplanmäßigen Halt einlegen, weil sich die Passagiere, die vor dem Fernseher in der kleinen Bahnstation lachten und weinten, einzusteigen weigerten, solange der Film lief.

Wir Kubaner machen Witze über alles. Ein Witz sagt, der Präsident des Fernsehinstituts habe den Chemienobelpreis bekommen – für die Entdeckung des Verfahrens, Fernsehen in Müll zu verwandeln. Ein anderer handelt von dem Mann, der eine Kiste unter seinen Fernseher stellt, um all die Lebensmittel zu sammeln, die es nur im Fernsehen gab. Und in den Jahren, in denen der Máximo Líder täglich für viele Stunden den Bildschirm dominierte, erzählte man sich die Geschichte von dem Mann, der seinen Fernseher in die Werkstatt brachte, weil dort immer so ein grüner Fleck auftauchte.

Viel zu lange benahm sich das Fernsehen als Stimme der Staatsmacht. Wenn etwas nicht im Fernsehen kam, war das der Beweis, dass es nicht existierte; was gesendet wurde, war nicht zu diskutieren. So wie etwa im Programm „Der runde Tisch“ angebliche Experten über ein Thema reden, wobei alle eine absolut identische Meinung vertreten.

Die Technologie wendet sich gegen die alten Autoritäten. Die geheimen Parabolantennen, hasserfüllt verboten, erlauben den Kubanern den Kontakt zu anderen Meinungen. Seit vor etwas über zwei Jahren der Verkauf von DVD-Spielern erlaubt wurde, ist ein informeller Markt für Filme und ausländische Fernsehprogrammen entstanden, der das schon übel zugerichtete staatliche Informationsmonopol weiter in Schach hält. Es ist diese Lawine von Meinungen und Nachrichten, die das System des Verschweigens und der Verdrehung ins Wanken bringt.

Die Autorin lebt als Bloggerin in Havanna Foto: dpa