175 Jahre und kein bisschen leise

FESTAKT Bertelsmann feiert staatstragend Geburtstag – und lässt nur handverlesene Journalisten rein

„Alle feiern Bertelsmann“, schlagzeilt das Hausblatt Neue Westfälische: Den offiziellen Teil der Feierlichkeiten zum Konzernjubiläum hatte das Gütersloher Medienhaus wie einen Staatsakt aufgezogen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war da, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kam – und Verona Pooth.

„Klassische Medien bedienen menschliche Grundbedürfnisse. So erfüllt die Zeitung den Wunsch nach tieferer Information und danach, seine Fantasie walten zu lassen“, sagte Merkel. Barroso übernahm die Schirmherrschaft über die neue „International Academy of Journalism“, die Bertelsmann zum 175. Firmengeburtstag spendiert. „Die Akademie wird sich weltweit für Ideale der Pressefreiheit einsetzen“, so Bertelsmann. Alljährlich will man nun „engagierten Stipendiaten, die sich schon als Journalisten in ihren Heimatländern einen Namen gemacht haben“, den „Rücken stärken“. Verona Pooth hielt derweil Vorder- wie Rückseite in die Kameras.

Am roten Teppich vor dem Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt drängelte sich Polit- wie Gesellschaftsprominenz, drinnen wollte man dann aber lieber unter sich sein, um das „Unternehmen der Unternehmer“ (Bertelsmann-Vorstandschef Hartmut Ostrowski) zu feiern. „Der Festakt findet ausschließlich mit geladenen Gästen statt, darunter einige Chefredakteure und Herausgeber. Berichterstattende Presse hat keinen Zugang zum Konzerthaus“, teilte die Bertelsmann-Pressestelle mit. Was sollen auch Medien über Medienhäuser berichten – schon das Geburtstagsfest für die Mitarbeiter in Rheda-Wiedenbrück im Juli hatte der Konzern zur „privaten Feier“ (mit rund 11.000 BesucherInnen) erklärt, bei der lediglich die Lokalpresse erwünscht war. Denn zum Firmengeburtstag ist die alte Debatte über den absoluten Einfluss der Familie Mohn im Konzern wie in der formal gemeinnützigen Bertelsmann-Stiftung, der der Konzern mehrheitlich gehört, wieder aufgeflammt (taz vom 16. 9.).

Konzern-Matriarchin Liz Mohn ging beim Festakt natürlich nicht direkt auf die Kritik ein, sagte aber, ihre Familie habe „immer an eines geglaubt: Gewinn-Maximierung ist nicht alles“. Erfolg erweise sich nämlich „nicht nur im ökonomischen Sinne, sondern auch darin, einen Leistungsbeitrag für die Gesellschaft zu erbringen“, sagte Mohn und verwies damit indirekt auf die Arbeit der Konzernstiftung. Viele Kritiker wie der Notar und Stiftungsexperte Peter Rawert sehen das allerdings anders: Für sie erbringt eher die Gesellschaft diesen Leistungsbeitrag für die Stiftung und die Konzernfamilie – weil sich durch die Stiftung prima Steuern sparen lassen. „An der Selbstlosigkeit und Unabhängigkeit von Mohns eigener gemeinnütziger Stiftung regen sich allerdings Zweifel“, schrieb Rawert in der FAZ.

Und noch einer hatte den Bertelsmännern in die Suppe gespuckt: Ex-Vorstandschef Thomas Middelhoff, den der 2009 verstorbene Unternehmenspatriarch und Stiftungsgründer Reinhard Mohn noch höchst persönlich vom Hof gejagt hatte, überbrachte unter der Überschrift „Große Historie, ungewisse Zukunft“ pointierte Geburtstagsgrüße im Handelsblatt. Tenor: Die Ausrichtung von Bertelsmann auf die Familie Mohn könnte der Anfang vom unternehmerischen Untergang sein. Und da weiß der Arcandor-Versenker Middelhoff ja, wovon er spricht.

Doch dieses Thema wäre für die Berliner Jubelfeier vielleicht auch ein bisschen zu hoch gewesen. Später am Abend guckten Vorstandschef Ostrowski und RTL-Anchormann Peter Kloeppel, der einen Teil der Gala moderiert hatte, noch kurz im Festakt-Pressezentrum vorbei. Das hatte der Konzern ganz in der Nähe in einem Restaurant für eine handverlesene Journalistenschar aufgeschlagen, auf deren Berichterstattung man dann doch nicht verzichten wollte. Die Top-News dort: Konzernerbin Brigitte Mohn hat einen neuen Haarschnitt. Es bleibt eben alles in der Familie.

Steffen Grimberg