Juan Pablo Sorín
: Ein Anführer in himmelblau

Der Kapitän ist schon vor Wochen von Bord gegangen. Ein Großteil der Crew ist seinem Beispiel gefolgt und hat Hamburg verlassen: Daniel van Buyten, Sergej Barbarez, Stefan Beinlich und schließlich Khalid Boulahrouz. In den vergangenen Monaten hatte der Hamburger SV einen Exodus seiner Führungskräfte zu verkraften, der in dieser Form ligaweit seinesgleichen sucht. Die HSV-Fregatte kam zum Saisonauftakt deutlich vom Kurs ab und strandete nach drei Unentschieden auf Platz 11 im Mittelmeer der Liga.

Der HSV reagierte auf diese Entwicklung und verpflichtete kurz vor Schließung der Transferliste einen Spieler, der das Steuer fortan in die Hand nehmen soll. Juan Pablo Sorín, Kapitän der argentinischen Nationalmannschaft, ist einer wie Matthias Sammer oder Stefan Effenberg. Ein lautstarker Leader auf dem Platz, ein nimmermüder Motzki daneben. Der Mann mit der wallenden Mähne aus schwarzen Locken macht den Mund auf, gestikuliert und kann eine Mannschaft ganz alleine mitreißen. Diese Führungskompetenzen haben den 30-Jährigen, der fußballerisch öfter etwas begrenzt wirkt, Stammplatz und Kapitänsbinde bei den „Albiceleste“ eingebracht. Fünfundsiebzig Mal hat er das himmelblaue Trikot bis jetzt getragen. Unter den Nationalspielern wird Sorín nicht nur respektiert, sondern gefürchtet – und von einigen insgeheim gehasst. Denn als Anführer der Gauchos genießt er einen Sonderstatus, der bisweilen Neid und Missgunst hervorruft. Zudem liegt es im seinem Naturell, anzuecken. Dies ist auch der Grund, weshalb einer wie er, der bereits für Juventus Turin, Lazio Rom, den FC Barcelona oder Paris Saint Germain gespielt hat, jetzt für den HSV auflaufen wird.

Bei seinem letzen Klub FC Villareal hat sich der nur 1,71 Meter große Lautsprecher Sorín mit zwei Landsmännern überworfen. Die Auseinandersetzungen mit Spielmacher Román Riquelme und Trainer Carlos Pellegrini wurden zum Stolperstein und zwangen ihn zu einem schnellen Wechsel.

Für weniger als drei Millionen Euro hat der Wandervogel an der Elbe angeheuert. Der HSV ist bereits sein neunter Arbeitgeber in zwölf Profi-Jahren. Hier soll er eine verunsicherte Mannschaft aus ihrer Lethargie reißen und neue Reizpunkte setzen. Sorín bringt internationale Erfahrung, Glamour und Weltruhm in die Hansestadt, ist die Personifizierung dessen, was der HSV in naher Zukunft sein will: Eine im europäischen Klubfußball ernst zu nehmende und bekannte Marke. Die Verpflichtung des neuen Anführers ist ein weiterer Schritt dorthin. Mit dem neuen Motor auf der linken Seite kann der HSV jedenfalls wieder ruhigere Gewässer ansteuern. Und einen neuen Kurs ausgeben: Richtung Athen, zum Champions League-Finale. Lucas Vogelsang