Historische Knochen statt blöder Plastinate

ODYSSEE Die LandesarchäologInnen bekommen ein Quartier: Sie ziehen als Nachmieter von Gunther von Hagens kommenden Februar ins Postamt 5 am Hauptbahnhof – wenn diesmal alles gut geht

Die zentrale Lage wäre sinnvoll: Gerade in der City ist viel zu graben und entdecken

Den physischen Erschütterungstest hat das Postamt 5 bestanden: Die vorbeidonnernden Güterzüge lassen das mächtige Gebäude neben dem Hauptbahnhof lediglich in einem Maß erzittern, das die dort zu lagernden historischen Bodenfunde nicht gefährdet. So gesehen könnte das Landesamt für Archäologie tatsächlich dort einziehen. Das würde eine jahrelange Raumsuch-Odyssee beenden. Allerdings ist der Mietvertrag noch nicht unterschrieben.

Die Umzugspläne der Landesarchäologen wurden in der Vergangenheit schon mehrfach erschüttert. Zuletzt galt als spruchreif, dass die Behörde auf das ehemalige Kaffee HAG-Gelände im alte Hafengebiet zieht. Doch in letzter Minute platzten die Verhandlungen mit dem Besitzer, der Sirius AG: Diese war von einem Banken-Konsortium übernommen worden. Die neuen Eigentümer hatten einen deutlich höheren Mietzins im Sinn. Die jetzt für das Postamt 5 anvisierten Preise entsprächen dem Niveau, das ursprünglich bei Kaffee HAG vorgesehen war, sagt Landesarchäologin Uta Halle.

Bleibt zu hoffen, dass die Besitzverhältnisse im Postamt bis Ende September, zu dem der Vertragsabschluss geplant ist, konstant bleiben. Die Immobilie gehört einem Frankfurter Konsortium, das bei der Vermarktung der 45.000 Quadratmeter Nutzfläche nicht allzu erfolgreich ist: Noch immer stehen 17.000 Quadratmeter leer. Davon würden die Archäologen 1.100 Quadratmeter füllen. Was für die Dimension des Postamtes wenig ist, würde für die Archäologen einen beachtlichen Raumgewinn bedeuten. Endlich könnten die verrotteten Werkstätten in der Ronzelenstraße abgerissen werden, endlich wären sie mit Büros und Magazinen an einem Standort vereint. Eine große Rollregal-Anlage soll die Lagerkapazitäten weiter erhöhen, was angesichts zu erwartender größerer Grabungskomplexe auch notwendig ist: Sowohl der geplante Bau eines ECE-Einkaufszentrums am Ansgarikirchhof als auch der Ausbau der A 281 durch zwei seit dem Mittelalter durchgängig besiedelte Wurten und der Neubau einer Behinderteneinrichtung in Bremen-Nord, am Fuß eines bronzezeitlichen Grabhügels, wird zu lagerndes Material mit sich bringen.

Dass man die Zuwachsquoten nicht zu knapp kalkulieren darf, ist den Fachleuten spätestens seit dem abschreckendem Beispiel Hannover sehr bewusst: Die niedersächsischen Kollegen waren vor etwa zwei Jahren ebenfalls umgezogen – und haben schon jetzt mit überfüllten Magazinen zu kämpfen. Neue Funde können dort nicht angenommen werden.

Seit der Sperrung der Ronzelenstraße durch den Arbeitsschutz vor zwei Jahren wurden die Hoffnungen der Bremer Archäologen mehrfach enttäuscht, beispielsweise in Bezug auf das Radio Bremen-Hörfunkgelände. Mindestens fünf Objekte haben man näher berechnet, sagt Stadtarchäologe Dieter Bischop, dieser Aufwand habe die Arbeitskraft „sehr geblockt“. Wenn diesmal alles gut geht, könnten die neuen Räume im Februar 2011 bezogen werden. Zuletzt wurden sie für Gunther von Hagens „Körperwelten“-Ausstellung genutzt. Die zentrale Lage wäre aus Bischops Sicht sinnvoll, weil sie die Anfahrtswege verkürzt: Häufig sind gerade im City-Bereich Grabungen zu überwachen. So hat Bischop gerade einen etwa 800 Jahre alten 30 Meter langen Bohlenweg am Ulenstein im rückwärtigen Bereich der Schlachte entdeckt, der im Zuge von Kanalarbeiten in vier Metern Tiefe freigelegt wird. HENNING BLEYL