Die ganze Welt von hinten

Peter Paul Rubens Leben zwischen künstlerischem Triumph und böser Gicht. Im Tod beginnt der Maler aus Siegen zu zweifeln. Phillipp Stölzl inszeniert in Duisburg „Rubens und das nichteuklidische Weib“

Peter Paul Rubens: „Was gibt es Ernsthafteres als einen Weiberarsch?“

VON PETER ORTMANN

Die ganze Welt findet für den Siegener Malerfürsten Peter Paul Rubens in seinen Bildern Platz. Kein Wunder also, dass Regisseur Philipp Stölzl kein richtiges Bühnenbild benötigte, sondern nur 15 riesige vergoldete Bilderrahmen und Rubens Totenbett. Mehr ist beim ersten Scheinwerferlicht in der auf Stadttheatergröße geschrupften „Duisburger Kraftzentrale“ auch erst einmal nicht zu sehen. Der ungarische Schriftsteller Péter Esterházy konfrontiert in seinem uraufgeführten Theaterstück „Rubens und das nichteuklidische Weib“ für die Kreationen der RuhrTriennale den Star der barocken Kunst mit historischen Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Epochen und sucht das Geheimnis Rubens‘.

Der Meister liegt reglos, sein Gehilfe (Torsten Ranft, gehörte zum Haußmann-Ensemble in Bochum) verkündet: „Rubens ist tot“. Doch den interessiert der Tod nicht. Rubens will noch ein paar letzte Worte von sich geben. Aber „Mehr Gicht“ oder „Es ist vollbracht“ sind definitiv schon vergeben und so redet er weiter. „Wer zuerst stirbt, hat gewonnen“. Doch auch dieser Satz ist nicht von ihm, sondern von Ernst Jandl. Auch tot, wenn auch später gestorben. Im Tod hat Realität keine Bedeutung mehr. Auch nicht, für Rubens schwer zu verstehen, die meisterlichen Werke voller Weiber, deren Fülle ein Attribut für ihn wurde. Denn die Hintern der Rubens-Figuren malte er immer selbst, kein Schüler, keine Werkstatt durfte da ran. So lernt der Zuschauer eben auch etwas über die Fließband-Kunstproduktion im Barock. Und die Bilder lernen laufen. Stölzl ist schließlich Videofilmer, hat schon für die schmächtige Pop-Madonna (nach Rubens Maß) gearbeitet.

So öffnet sich der erste Vorhang in den Goldrahmen und die Figuren in den Rubens-Gemälden werden langsam lebendig (Bill Viola und Hieronymus Bosch lassen grüßen). Das ist ein wirklich starkes dreidimensionales Bild. Leicht bekleidete Nymphen, bockshörnige Faune und andere Rubens-Figuren bevölkern die barocken Landschaften. Doch wie zu erwarten wird es noch dutzend Mal wiederholt, was zwar eine visuelle Redundanz erzeugt, aber, anfangs kaum zu glauben, nie langweilt. Denn die Gemälde-Auswahl zwischen dem „Fest der Venus“ und der „Kreuzabnahme Jesu“ ist abwechslungsreich. Ein toller Regieeinfall ist die gerahmte zeitgenössische Caféhaus-Szene mit Durch-Blick in die gigantischen Maße der Duisburger Industriehalle, die so wie eine City wirkt.

Musikalisch gebrochen wird die straffe Handlung selten genug vom Kölner Ensemble Musica Antiqua, das von Bendix Dethleffsen geleitet wird, nachdem Barockgeiger und Ensemblechef Reinhard Göbel die Truppe kurzfristig verlassen hat. Obwohl er die Musikstücke für die Inszenierung noch zusammengestellt hat. Kein Novum bei dieser Triennale-Spielzeit, die wohl mit zahlreichen Problemen hinter den Kulissen und Ausfällen wie bei Veronica Ferres bei „Courasche“ zu kämpfen hat. Dennoch wird das „nichteuklidische Weib“ in Erinnerung bleiben. Was darunter zu verstehen ist, erklärt der Mathematiker Kurt Gödel (1906-1978), der als der bedeutendste Logiker des 20. Jahrhunderts gilt und dem auch Rubens am Ende nicht gewachsen ist.

Heute, 19:30 UhrLandschaftspark, DuisburgInfos: 0700-20023456