Vom Bier zum Ball

Hallo? Liebe Redaktionen von „Exclusiv“, „Brisant“, „taff“ und wie ihr TV-People-Magazine sonst noch heißen mögt – merkt ihr noch etwas? Da sendet ihr Tag für Tag Rührstücke aus der ach so spannenden Promiwelt, und dann lasst ihr euch ein solch ungekünsteltes Meisterwerk der Emotionen entgehen?

Also, bitte: „Nach dem Telefonat mit Andreas hatte ich Tränen in den Augen“, jawohl: Das sagte Holger Liekefett, 51, bei seiner Vorstellung als neuer Geschäftsführer des finanziell angeschlagenen Hamburger Handball-Bundesligisten HSV. Braucht es da noch mehr? Tränen in den Augen, nach einem Anruf von Andreas, von Andreas Rudolph!

Das gibt’s doch gar nicht, mag derjenige unter den Zuschauern, pardon: Lesern sagen, der sich ein wenig mit Handball und den handelnden Personen auskennt. Bislang nämlich stand Andreas Rudolph, 58, hemdsärmeliger Präsident und Mäzen des Klubs, nicht zwingend in dem Ruf, Geschäftspartnern wässrige Augen zu bereiten – und wenn, dann nicht vor Glück.

Nun ist der Mister X, der den HSV-Handballern aus schwieriger wirtschaftlicher Lage heraushelfen soll, also gefunden: Holger Liekefett ist der Nachfolger von Christoph Wendt, den Rudolph vor Kurzem entließ. Und der HSV hat einen Geschäftsführer, dessen Kerngeschäft bisher nicht etwa Handball gewesen ist: Liekefett war zuletzt Marketingchef bei der Holsten-Brauerei. Vor zwei Jahren führte der promovierte Biotechniker, der sich selbst als „Querdenker“ beschreibt, bei der Hamburger Brauerei ein Marken-Relaunch durch, änderte Design und Image – mit einigem Erfolg. Und nun soll der dreifache Familienvater aus Ellerbek (Kreis Pinneberg) dafür sorgen, dass der HSV-Handball zu den dringend benötigten neuen Sponsoren kommt.

Er wolle den Verein – den Rudolph angesichts einer Etat-Lücke von knapp zwei Millionen Euro als „Sanierungsfall“ beschrieb – zu einem „erfolgreichen Unternehmen“ machen, sagte Liekefett, den Rudolph in der Pressekonferenz gleich mit Vorschusslorbeeren bedachte: Der Neue „ist unser Traumkandidat“, sagte der Boss.

Nun reicht dieses Label, „Traumkandidat“, beim HSV offenbar für die Bewerberliste – aber nicht zum Spitzenplatz: Es hat mindestens einen „Super-Traumkandidaten“ gegeben, schließlich kassierte Rudolph vor drei Wochen noch eine Absage von Uwe Schwenker, früher Manager des THW Kiel.

Nun soll Liekefett liefern und weiß das auch. Er verglich den HSV mit einem „Schnellboot“, das er wieder flott machen wolle. „Viel Glück, Holger!“, sagte Rudolph abschließend. Worin die Schwere der Aufgabe mitschwang.  CHRISTIAN GÖRTZEN