aus der mensa: sonderangebote von HARALD KELLER
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Nur ungern lässt sich der Hauswirt die Miete mit Semesterscheinen entgelten, und selbst an der Mensakasse werden mühsam errungene Leistungspunkte als Zahlungsmittel nicht akzeptiert. Bares Geld jedoch ist rar unter Studenten, weshalb dieser Personenkreis sich stets über die günstigsten Einkaufsmöglichkeiten auf dem Laufenden hält, um in zeitraubenden Odysseen zwischen Großmärkten und Discountern die billigsten Nährmittel zu ergattern.

Zeitungsbeilagen mit aktuellen Sonderangeboten werden von vielen eifriger studiert als die Pflichtlektüren laufender Seminare. Weil aber die Werbebotschafter ihre Mitteilungen ungleich auf diverse kostenlose Anzeiger verteilen, verwandelt sich die mittägliche Tafelrunde bisweilen in eine Tauschbörse für bunt bebilderte Blättchen.

Droll, immer mit einer Ledertasche bewaffnet, die unergründlicher ist als der Mantel von Harpo Marx, zieht einen Stapel farbenfroher Kaufempfehlungen hervor und reicht ihn zu Wabble hinüber. Während Droll vorrangig die Lebensmittelpreise auf Heller und Cent vergleicht, gilt Wabbles Interesse zusätzlich den hinteren Seiten, die oft Aktionsverkäufe technischer Waren mit gehobenem Spielzeugcharakter annoncieren.

Droll, darum wissend, nörgelt: „Hier, nimm hin. Vielleicht kannst du ja was damit anfangen. Guck dir das an: Telefon mit DECT. Blue Tooth. Blackberry. OSD. EPG. ‚Blaue Zähne‘, ‚Brombeeren‘ – ich weiß gar nicht, was die mir eigentlich verkaufen wollen. Die sollen gefälligst ein Wörterbuch mitliefern für ihre blöden Prospekte.“ – „Ich könnte es dir erklären. Aber du willst das ja gar nicht wissen“, erwidert Wabble gewohnt verträglich. „Stimmt!“, schimpft Droll. „Ich will’s nicht wissen und werde auch nichts davon kaufen.“

Unterdessen sieht Strunk die schwer bepackte Hanni herannahen und orakelt: „Gleich geht das Gejammer los.“ Tatsächlich ist Hanni kaum in Hörweite, als sie einen herzzerreißenden Klagelaut hören lässt, an den sich ein tief empfundenes „Was für ein Scheißwetter“ anschließt. Der Wechsel wissender Blicke zwischen den Herren macht Hanni stutzen. „Was ist?“, schnauzt sie gereizt und zieht die Strickjacke enger, weil die Temperatur an diesem Tag nach einer langen Hitzeperiode auf arktische 25 Grad im Schatten gesunken ist. „Nüx“, meldet Geierschnabel unschuldig, krempelt die Ärmel hoch und fügt beiläufig an: „Warm hier.“

Ein drohender Blick aus flammenden Augen veranlasst Notthoff, sich und die anderen aus der Gefahrenzone zu manövrieren, indem er mit einem Blick auf Hannis Tablett konstatiert: „Du hast dich nicht für den Fisch entschieden.“ – „Ich mag keinen Fisch“, kommt es in schrillem Diskant zurück. Strunk lugt in Hannis prall gefüllte Einkaufstasche und verrät lauthals: „Aber du hast doch massenweise Fischstäbchen eingekauft.“ – „Natürlich. Die waren im Sonderangebot.“ – „Vielleicht trügt mich mein Ohr, aber sagtest du nicht grade eben, du magst keinen Fisch?“, bohrt Geierschnabel furchtlos weiter. „Eben deswegen. Fischstäbchen schmecken nicht nach Fisch.“

Souverän matt gesetzt, setzen die Herren schweigend ihre Mahlzeit fort, und Hanni setzt sich auch.