Kirchenarbeiter jetzt mit Flächentarif

ARBEITSRECHT Evangelische Kirchen in Niedersachsen einigen sich mit Ver.di auf Schlichtung statt Streiks für 30.000 Beschäftigte in der Diakonie. Vorbild für Bund und private Dienstleister in der Sozialbranche?

HANNOVER epd | Die Synode der fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen hat am Wochenende in Hannover ein neues Arbeitsrechtsmodell für rund 30.000 Beschäftigte in der Diakonie verabschiedet. Es könnte bundesweit zum Vorbild werden.

Das Bundesarbeitsgericht hatte 2012 in einem Grundsatzurteil das traditionelle kirchliche Arbeitsrecht bestätigt, zugleich aber den Gewerkschaften ein stärkeres Mitspracherecht zugestanden. In Niedersachsen haben sich nun erstmals nach dem Urteil beide Seiten auf ein Vorgehen geeinigt. Das Zauberwort lautet „kirchenrechtlich legitimierte Tarifverträge“.

Bisher wurden die Gehälter in der Diakonie auf dem „Dritten Weg“ ausgehandelt. Dabei saßen Mitarbeitervertreter und Arbeitgeber in einer paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission. Doch 2011 verließen die Mitarbeitervertreter die Kommission und forderten Tarifverträge, wie sie in anderen Branchen üblich sind. Es entbrannte ein Streit vor allem ums Streikrecht. Nach dem kirchlichen Arbeitsrecht darf weder gestreikt noch ausgesperrt werden. Die Arbeitnehmer sahen sich eines Arbeitskampfmittels beraubt.

Nun beginnt zumindest in Niedersachsen eine neue Ära im kirchlichen Arbeitsrecht. Künftig sollen der Diakonische Dienstgeberverband als Arbeitgeberverband und die Gewerkschaften Ver.di und Marburger Bund auf Augenhöhe verhandeln. Statt Streikrecht gibt es ein Schlichtungsverfahren. Zur Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen gehören Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe sowie die Evangelisch-reformierte Kirche.

Der Vizedirektor der Diakonie in Niedersachsen, Jörg Antoine, begrüßt die Entwicklung: „Statt ideologischer Konflikte haben wir nun einen praktischen Kompromiss.“ Darin verpflichten sich die Kirchen auf eine Flächenbindung, und Ver.di akzeptiert die kirchenrechtlich legitimierten Tarifverträge. Wer diese „nicht anwendet, muss aus der Diakonie austreten“, unterstreicht Antoine.

Antoines Ziel ist ein Flächentarifvertrag Soziales für Niedersachsen, der dann für alle Anbieter sozialer Dienstleistungen verbindlich wäre. Also auch für die anderen Wohlfahrtsverbände, wie den Paritätischen Wohlfahrtsverband, das Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt. Auch die privaten Pflegeanbieter müssten sich dann an den Flächentarifvertrag halten. Landesweit arbeiten rund 425.000 Menschen in der Sozialbranche.