Leistungsschutzrecht in der Warteschleife

VERLEGERKONGRESS Statt der Justizministerin kam nur der Staatssekretär – und spielte kunstvoll auf Zeit

Das Leistungsschutzrecht soll verhindern, dass Online-Angebote der Zeitungen von anderen Netzfirmen kostenlos „ausgenutzt“ werden

„Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat beim Zeitungsverlegerkongress am Montag in Essen den Entwurf eines Leistungsschutzrechtskatalog für Zeitungen und Zeitschriften präsentiert, der den Verlegern deutliche Rechte – und damit Einnahmen – bei der Nutzung von Print-Inhalten im Internet durch Dritte zusichert.“

Was für ein Satz. Er hätte mehr als ein Lächeln auf das Gesicht noch des abgezocktesten Verlegervertreters beim alljährlichen Branchentreff des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gezaubert. Allein: Es gab ihn nicht. Statt der Ministerin kam ihr parlamentarischer Staatssekretär Max Stadler (FDP) – und hielt eine dünne Rede.

Mit ihrem Versuch, ein eigenes Leistungsschutzrecht für die Presse durchzusetzen, treten Deutschlands Zeitungsgewaltige seit Monaten auf der Stelle. Das neue Recht, das die organisatorische Leistung der Verleger schützen soll, könnte verhindern, dass Online-Angebote der Zeitungen von anderen Netzfirmen kostenlos „ausgenutzt“ werden. Damit sind vor allem Dienste wie die „News-Aggregatoren“ (wie etwa Google News) gemeint, die Nachrichten aus dem Netz automatisch zusammenstellen. Ein eigenes Leistungsschutzrecht für Verlage ist bei Gewerkschaften und Journalistenorganisation umstritten, da bislang auch unklar ist, wie die eigentlichen Urheber – die JournalistInnen – am neuen Recht beteiligt werden.

Während sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lieber an einer Anhörung zu Google in der Bundhauptstadt Berlin unter Federführung des Innenministeriums beteiligte, als den in der Kulturhauptstadt Essen versammelten Zeitungsgranden ihre Aufwartung zu machen, mühte sich Max Stadler redlich: Die Absicht, ein neues Leistungsschutzrecht einzuführen, stehe weiterhin im Koalitionsvertrag, man sei „aber noch im Prozess der Meinungsbildung“. Es dürfe „aber nicht darum gehen, die Informationsflut des Internets dadurch anzuhalten“. Ein „Verbot der Verlinkung“ und ein „Aus für die Zitierfreiheit“, die kurze Auszüge aus allen geschützten Leistungen quasi vom Urheberrecht befreit, seien mit der Bundesregierung aber nicht zu machen.

Das hatte auch niemand verlangt. Berlin spielt auf Zeit – und den Ball wieder ins Lager der Verlage, denen Leutheusser-Schnarrenberger schon im Juni freundlich zugerufen hatte, sie dürften hier keine „finanziellen Wunder“ erwarten und sollten ihre strukturellen Probleme gefälligst lösen. Man werde durch neue Gesetze keinesfalls „Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle, deren Zeit abgelaufen ist“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger schon vor drei Monaten.

Daran scheint sich nichts geändert zu haben: Noch läuft die Auswertung der „umfassenden Verbändeanhörung“ vom Sommer, sagte Stadler in Essen – und die habe gezeigt, dass es „gewichtige Gegner und gewichtige Argumente“ gebe gegen ein solches neues „Immaterialgüterrecht“. Kurz und gut, „es sei noch keine Entscheidung gefallen“.

Beim BDZV gab man sich ob dieser Abfuhr diplomatisch – doch die Gesichter sprachen Bände: Stadler habe „die gleiche Rede gehalten, die auch die Ministerin gehalten hätte“, hieß es intern im BDZV. Nun komme es darauf an, bei der ganzen Geschichte am Ende nicht mit völlig leeren Händen dazustehen.

STEFFEN GRIMBERG