„Hauptsache, sie sind uns los“

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN

taz: Herr Diallo, sind Sie ein echter Guineer?

Mustafa Diallo: Ja, ich komme aus einer kleinen Stadt namens Afia. Die liegt im Norden von Guinea.

Ich frage Sie aus folgendem Grund: Der Chef der guineischen Delegation, der sie für die Ausländerbehörde als Guineer identifiziert hat, soll korrupt sein.

Das habe ich selbst erlebt. Er hat mir angeboten, mich vor der Abschiebung zu retten. Für 1.000 Euro hätte er gesagt, dass ich nicht aus Guinea stamme. Ich hatte das Geld nicht. Dass N‘Faly Keita ein Schleuser sein soll, habe ich aber erst später gehört. Ich kannte ihn bis dahin nicht. Mich hat er nicht nach Deutschland gebracht.

Wie hat Keita Sie identifiziert?

Ich weiß es nicht. Ich wurde ihm nur kurz vorgeführt und ich habe kaum den Mund aufgemacht. Keita hat seine Befragung vor mir damit begründet, dass er den guineischen Flüchtlingen in Deutschland helfen soll, an Arbeit zu kommen.Er hat mich gefragt, welche Sprachen ich kann. Ich habe geantwortet, dass ich Französisch und Fula spreche.

Ist Fula die Landessprache von Guinea?

Nein, die Sprache wird auch in den angrenzenden Ländern wie Kamerun, Liberia oder Sierra Leone gesprochen. Es ist nicht einfach zu hören, woher ein Sprecher von Fula stammt.

Also hat die Delegation willkürlich Guineer und Nicht-Guineer bestimmt.

Zumindest sind fast alle Vorgeführten als Guineer identifiziert worden (siehe Kasten). Es waren aber auch viele Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern darunter. Ich habe hier in Abschiebehaft einen gebürtigen Nigrer kennengelernt, der in Dortmund guineische Papiere ausgestellt bekommen hat. Wenn er jetzt nach Guinea abgeschoben wird, was soll er denn dort? Aber das ist dem Staat völlig egal.

Ein hartes Urteil.

Aber es ist doch wahr. Mit welchem Recht lädt die Ausländerbehörde diese mafiöse Delegation ein? Für Pässe ist die guineische Botschaft zuständig.

Die Ausländerbehörde behauptet, die Botschaft habe zu langsam gearbeitet.

Das ist für mich kein Argument. Wenn die Behörde lieber mit Kriminellen zusammenarbeitet als mit der Botschaft, dann zweifle ich daran, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist. Mal abgesehen davon: Wie kann man in ein Land wie Guinea abschieben?

Weil niemand überblickt, was dort passiert?

Es leben Deutsche in Guinea. Es müsste sich herumgesprochen haben, dass dort seit 1984 unter dem Deckmantel der Demokratie eine Militärdiktatur herrscht. Der demokratisch gewählte Präsident ist krank, drei Clans kämpfen um seine Nachfolge.Willkürlich werden Menschen eingesperrt und gefoltert oder sogar getötet – es gibt dort immer noch die Todesstrafe.

Sind Sie vor der Diktatur geflohen?

Ich bin mit 17 Jahren geflüchtet, weil mir mein Vater eine Kugel in den Arm geschossen hat. Ich wollte nicht mehr nach den Regeln des Islams leben und das wollte er nicht akzeptieren.

Wie sind Sie nach Deutschland gekommen?

Erst mit dem Schiff, dann über Land. Ein Freund hat mir geholfen. So genau weiß ich nicht mehr, auf welchem Weg ich Deutschland erreicht habe. Ich war insgesamt einen Monat unterwegs. Irgendwann stieg ich aus dem Auto und dann hieß es: Das ist Deutschland. Das war dann Düsseldorf.

Was haben Sie die vergangenen drei Jahre gemacht?

Ich habe einen Antrag auf Asyl gestellt und wohnte in einem Heim in Ibbenbüren. Für meine staatliche Unterstützung habe ich Laub gesammelt und in einer Kläranlage gearbeitet. Eine richtige Arbeitserlaubnis wollten sie mir nicht geben. Und mit dem Asyl hat es auch nicht geklappt.

Ihr Abschiebetermin war eigentlich schon im Juli. Warum wurde er auf den morgigen Donnerstag verschoben?

Ich habe auf dem Weg zum Düsseldorfer Flughafen meine Begleiter vom Ausländeramt beschimpft. Sie hatten Angst, ich würde im Flugzeug ausrasten.

Und jetzt bekommen Sie einen Sonderflug mit Begleitung?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich in Düsseldorf um 10:55 Uhr abfliege und in Paris umsteigen muss. Ziel ist die guineische Hauptstadt Conakry.

Was wird passieren, wenn Sie in Guinea ankommen?

In einer Diktatur weiß man nie, was passiert. Immerhin bin ich aus dem Land geflüchtet. Bei meiner Ankunft werden sie mich vielleicht festnehmen und ins Gefängnis stecken. Selbst wenn sie mich nicht einsperren: Ich habe keine Ahnung, wohin ich gehen soll. Ich weiß nicht einmal, ob meine Mutter und meine beiden Geschwister noch im Lande sind. Meine Mutter ist damals vor meinem Vater geflohen, weil er sie geschlagen hat. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihnen.

Gibt es noch eine Chance, die Abschiebung zu verhindern?

Ein Arzt müsste bezeugen, dass ich mit meinem Asthma nicht zurückgehen kann. Aber denen geht es nur darum, ob ich den Flug überstehen kann. Dass es in Guinea keine Behandlungsmöglichkeiten gegen Asthma gibt, interessiert den Staat nicht. Hauptsache, sie sind uns los.