ZUM MITNEHMEN?
: Leben der anderen

Sie reden eine Weile über ihre Bretter und Rollen

Es ist kurz nach acht an einem Montagmorgen in der U7. Eine Frau verhandelt lautstark über den Preis einer Urne am Telefon. Ihre Haare sind lang und haben eine Farbe, die in der Schöpfung nicht vorgesehen war. Ihr Begleiter sitzt neben ihr, als wäre er auf Standby gestellt worden, zwischen seinen Füßen drei Einkaufstüten. „Wat?“, ruft die Frau, „Inner Tüte? Nee! Ja. Wart mal!“. Sie streichelt dem Mann schnell über den Rücken. „Nee, nich aus Keramik, wenn die runterfällt, geht die gleich Schrott, nee!“ Sie legt auf. Wieder streichelt sie den Mann.

Schnell wenden die vier jungen Männer aus Bayern in Multifunktionsjacken, die laut sprechend in den Wagen stiegen und dann rasch verstummten, ihre Blicke ab. Gegenüber zwei Mädchen mit drei Smartphones, in der freien Hand einen Muffin mit einer kleinen Geburtstagskerze. „Und ich dann so zu ihm: Du bist behindert, und er dann so: nüscht!“ – „Nüscht?“ – „Der hat nüscht gesagt!“ – „Krass!“ – „Krass!“ Ich steige an der Berliner Straße um und werde auf dem Bahnsteig von zwei Jungs auf Longboards überholt, mit denen ich in denselben Wagen steige. Sie reden eine Weile über ihre Bretter und Rollen. Sagt der größere „ich“, sagt er „isch“ und reißt dabei jedes Mal seine Augen weit auf, als würde er sich darüber erschrecken, dass das wirklich er ist, der von sich behauptet, dass er ich ist.

An der Amrumer Straße steige ich mit zwei Kindergartengruppen aus und bestelle bei dem kleinen Verkauf etwas zu trinken. Während die eine Verkäuferin die Milch aufschäumt, kümmert sich die andere um den Espresso. „Und jetzt?“, sagt die eine. „Der ist nett und so“, sagt die andere, „aber der is der Bruder von meinem Freund!“ – „Nimm den doch!“ – „Sag mal, hast du wat am Kopp, der is nett und so und lieb, und da is auch allet dran, aber nee, nur nett, mehr nich!“ – „Zum Mitnehmen?“ – „Ja“, sage ich.

BJÖRN KUHLIGK