Demokratiedefizit ist ansteckend

Der niedersächsische Kommunalwahlkampf, aus der Nähe betrachtet (VII): In Braunschweig kann sich die CDU auf den Wahlsonntag freuen – weil ihr Kandidat Gert Hoffmann dort unangefochtener Herrscher bleiben dürfte

Es sind ja nicht nur die, die seine Vergangenheit wieder und wieder aufs Tapet bringen, die Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) Demokratie-Defizite vorwerfen. Bürger-Initiativen fühlen sich mundtot gemacht, Kritiker geächtet, die Kulturszene spricht von einer sehr persönlich motivierten Mittelvergabe.

Die Mehrheit der Bürger aber kratzt das nicht: Die Umfragen sehen den Amtsinhaber vorne. Nicht einmal eine Stichwahl müsste sich der FDP-unterstützte CDU-Kandidat demnach antun. Und auch Hoffmanns Hausmacht im Rat ginge gestärkt aus der Kommunalwahl hervor. Kein Wunder, dass die Niedersachsen-Union die Stadt als Austragungsort ihres Parteitags am vergangenen Wochenende ausgesucht hatte: Von Braunschweig aus können Christdemokraten zuversichtlich auf den 10. September gucken, sich vorab als „führende politische Kraft“ im Lande bestätigt fühlen und ignorieren, dass die SPD bei der Bundestagswahl fast alle niedersächsischen Direktmandate gewonnen hatte.

Hoffmann, so viel lässt sich ohne Weiteres sagen, ist ein starker Bürgermeister. Das heißt: Einer, der sich nicht auf den Posten als Verwaltungschef zurückzieht, sondern gestaltet. Vielleicht allzu eigenmächtig und manchmal so, dass die Folgen als Verunstaltung gelten können: Dass der Hamburger Investor ECE die Fassade des alten Braunschweiger Schlosses zwecks Bespielung mit einer eingelagerten Shopping-Mall hat hochziehen dürfen, rechnet sich Hoffmann selbst als Verdienst hoch an. Klar, denn auch wenn sich Denkmalpflegern und Kunstsinnigen die Fußnägel kräuseln – entscheidend ist, dass sich der OB hat durchsetzen können. Ebenso ist Hoffmanns Privatisierungskurs kein Unfall: Zuletzt hat er das Abwasser-Geschäft verschachert. Manche sind da aus ideologischen Gründen dagegen, mit denen hat Hoffmann leichtes Spiel, weil er aus ideologischen Gründen dafür ist: Damit sich, wie er sagt, die öffentliche Hand auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könne, müsse sie sich anderswo zurückziehen. Und wenn die grüne Herausforderin Gisela Witte ihm im Kandidaten-Gespräch mit der Braunschweiger Zeitung vorhält, die Gewinne seien bis 2011 aufgebraucht, und die Einnahmen verloren, dann kontert er trocken: Das sei doch gar nicht so. Das habe man ihr doch Jahre lang vorgerechnet, das könne man jetzt nicht in 20 Sekunden erklären. Ein paar Wochen später haut dann die Presseabteilung der Stadt noch einmal eine Meldung über eine freie Spitze des Kommunalhaushalts in Höhe von 13,2 Millionen Euro in den Äther, und schon ist das Bild des Haushaltssanierers wieder makellos: Unter Hoffmanns Herrschaft hat die Stadt ihre Schulden mehr als halbiert.

Dabei böte Hoffmanns Finanzpolitik auch Ansatzpunkte zum Widerspruch: Dass Banker seine Idee, gegen die Landesbank eine extra Braunschweiger Sparkasse zu gründen mit Kopfschütteln quittieren, könnte man genüsslich ausweiden. Tut der erschreckend blasse SPD-Mann Friedhelm Possemeyer aber nicht, weil die Materie, wie er sagt, viel zu komplex sei. Ein Eingeständnis, das ihn als ehrliche Haut ehren mag, aber nicht gerade für den Spitzenposten empfiehlt. Von daher wird man zwar unzufrieden sein dürfen mit dem Braunschweiger Wahlausgang. Sagen können, dass er ungerecht ist, wird man jedoch nicht. bes