Ekelfleisch: Der Norden taut auf

Fleisch von bayerischen Skandalfleisch-Händlern in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg sichergestellt. Analyseergebnisse in den nächsten Tagen. Gesundheitsbehörde startet Geflügel-Rückrufaktion im Hamburg-Altona

Von Marco Carini

Der Norden taut auf. Nachdem auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg Chargen der Fleischgroßhändler aus München und Niederbayern aufgetaucht sind, die Ware mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum in alle Teile der Republik geliefert hatten, haben nun die Lebensmittelkontrolleure das Wort. Sie müssen die verdächtige Ware enteisen und umgehend die von ihr ausgehende Gesundheitsgefährdung analysieren.

Bereits am Montag stellten die Behörden bei einer Durchsuchung zweier niedersächsischer Gastronomie-Zwischenhändler gut drei Tonnen Entenfleisch sicher. Die Händler hatten Geflügel von dem unter Verdacht geratenen Münchner Lieferanten „Bruner GmbH“ bezogen. Bei den Zwischenhändlern handelt es sich um ein Unternehmen aus Neustadt am Rügenberge und einen Betrieb in der Grafschaft Bad Bentheim, die diverse Restaurants mit Fleisch beliefern.

Nach dem Auftauen der beschlagnahmtem Waren begann gestern deren Labor-Analyse – vorläufige Ergebnisse sollen heute bekannt gemacht werden. Eine erste Inaugenscheinnahme einer Charge von Entenfleisch aus dem Neustädter Betrieb habe aber keine Auffälligkeiten erbracht, versuchte der Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, Gert Hahne, gestern zu beruhigen.

In Hamburg startete die dortige Gesundheitsbehörde gestern eine Rückrufaktion von knapp einer Tonne Putenfleisch. Betroffen sind bis zu 20 Restaurants und Imbisse im Bezirk Altona, die von einem Hamburger Zwischenhändler beliefert werden, der 60 Kartons mit Putenbrust bei der Bruner GmbH eingekauft und inzwischen komplett ausgeliefert hat. „Eine Maßnahme des vorsorgenden Verbraucherschutzes“, betont Gesundheitsbehörden-Sprecher Hartmut Stienen: Bislang lägen keinerlei Hinweise darauf vor, dass das Geflügel verdorben sei.

Bereits am Montag hatte auch das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium mitgeteilt, der Münchner Fleischgroßhändler Bruner GmbH habe auch in das nördlichste Bundesland geliefert, „wenn auch nur geringe Mengen“. Nach Angaben der Hamburger Gesundheitsbehörde sei verdächtiges Fleisch vermutlich nach Reinbek, Wentorf und Norderstedt geliefert worden. Die mittlerweile sichergestellten zwei Tonnen Geflügel, die an einen Betrieb im südöstlichen Holstein am 21. August geliefert wurden, aber laut einer Ministeriumssprecherin „auf den ersten Blick nicht verdorben“ aussehen, sollen nun bis morgen im Landeslabor in Neumünster geprüft werden.

So wird erst in den nächsten Tagen feststehen, ob die von den bayerischen Gammelfleisch-Vertreibern im Norden gelandete Ware auch verdorben ist. Unklar ist auch, wie viel von ihr bereits auf den Tellern der Endverbraucher gelandet sind ist und ob Gesundheitsgefahren beim Verzehr bestehen. Werde Fleisch optimal gelagert und die Kühlkette korrekt eingehalten, könne es „durchaus zwei oder vier Jahre haltbar sein“, betont der Lebensmittelwissenschaftler an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Gerd Hamscher.

Wie bislang noch nach jedem Gammelfleisch-Skandal überschlugen sich auch gestern die zuständigen Politiker mit Forderungen nach schärferen Kontrollen und höheren Strafen für Ekelfleisch-Vertreiber. Bereits im vergangenen Jahr war nach Funden von rund 400 Tonnen verdorbenem Fleisch in mehreren Bundesländern eine lebhafte Diskussion über einen verbesserten Verbraucherschutz in Gang gekommen, die aber schnell versandete.

Nun strebt Niedersachsens Verbraucherschutzminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) ein „Berufsverbot und härtere Strafen für Gammelfleischhändler“ an. Schleswig-Holsteins Agrarminister Christian von Boetticher (CDU) hält ebenfalls „strengere Strafen“ für sinnvoll, betonte aber gleichzeitig, eine „flächendeckende Überwachung“ sei nicht möglich, da die Kontrolleure „nicht hinter jedem Verkäufer stehen“ könnten. Die schleswig-holsteinische FDP hingegen kritisierte, die Lebensmittelkontrollen seien „in anderen Bundesländern deutlich besser“, als in dem Nord-Bundesland.

Die SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag forderte unterdessen das Verbraucherschutzministerium des Bundes auf, ein für alle Bereiche des Fleischhandels und der Fleischweiterverarbeitung sicheres Kontrollsystem einzuführen. Hamburgs Gesundheitsbehörde hielt sich gestern mit Forderungen vornehm zurück. Lediglich der Verbraucherexperte der Grün-Alternativen-Liste (GAL), Christian Maaß, meldete sich gestern in der Hansestadt zu Wort. Er kritisierte, Hamburgs Senat blockiere seit Jahren ein Verbraucherinformationsgesetz, das die Nennung der Unternehmen erlaube, die nachweislich und wissentlich mit verdorbener Ware gehandelt hätten. Maaß klagt: „Wenn der Staat die Namen nicht nennt, spielt er den Betrügern in die Hände.“