LIEBER NICHT WANDERN
: Après-Ski ohne Ski

In Berlin erschließt sich die Faszination Berg eher selten

„Oha!“, entfährt es mir, als ich die Anzeige genauer studiere: „7 Tage wandern ab 399 Euro“. Es gibt so Dinge, die einfach nicht nachvollziehbar sind. Zum Beispiel 399 Euro zu bezahlen, damit man einen Berg hochlaufen darf. Und bevor ich mir zu detailliert vorstelle, wie ich am Fuße des Kreuzbergs Touristen abkassiere, fährt sie auch schon dazwischen: „Du bist doch sonst so ein Hansdampf in allen Gassen?“ Sie scheint die Berge wohl sehr zu mögen. Ich hingegen könnte mir gerade noch vorstellen, den Tag in einer Après-Ski-Hütte zu verbringen, allerdings dürfte diese logischerweise nicht auf einem Berg stehen.

Dem Berliner an sich erschließt sich die Faszination Berg eher selten: Sie stehen im Weg herum, sie versperren die Sicht, und es dauert ewig, bis man den Gipfel erreicht. „Nein, ich fahre nicht wandern!“ Ich wander so schon genug. Von zu Hause zum Taxistand, von der Arbeit nach Hause oder vom Taxi in den Klub, überall warten diese kleinen, beschaulichen Wanderwege auf mich. Nur weil ich keinen Wanderstock mit mir herumtrage, heißt das nicht, dass ich nicht wandere. Oder wenigstens wandele.

Am Abend kommen wir aus einer schlechten Bar. Schon vor dem Betreten hatte ich angemerkt, dass Bars mit Happy Hour kein Niveau haben, aber egal, wer das wandern liebt, der verträgt auch günstigen Wodka. Die vorherige Schminksession mit ihren Freundinnen scheint aus dem Ruder gelaufen zu sein, und betrunken ist sie auch. Aufgetorkelt könnte man sagen. Anscheinend aber alles kein Grund, das Thema Wandern endlich am Fuße des Berges ruhen zu lassen. Am Görlitzer Park stelle ich sie in ihren Stilettos vor den erstbesten Hang. Ich verspreche, in die Berge zu fahren, wenn sie es schafft, unfallfrei den Hügel zu erklimmen.

Sie ist dann wandern gefahren, ich an die Ostsee.

JURI STERNBURG