Gewagter Systemtransfer

Nach der WM, die heute in Mönchengladbach beginnt, verabschiedet sich Coach Bernhard Peters vom Hockeysport und tüftelt bei der TSG Hoffenheim im Verborgenen – in der Fußballregionalliga

AUS MÖNCHENGLADBACH DANIEL THEWELEIT

Einen Mangel an Bescheidenheit kann man Deutschlands besten Hockeyspielern nicht vorwerfen. Philipp Crone wird vermutlich bei dieser WM seine Länderspiele Nummer 333 und 334 machen und zum Rekordnationalspieler avancieren, doch darüber will er nicht sprechen. Er sagt: „Bei uns ist der Trainer der Star, und das ist sehr angenehm.“ Heute beginnt das vorerst letzte Kapitel von Bernhard Peters als Hockeytrainer. Deutschland eröffnet gegen Indien die Weltmeisterschaft in Mönchengladbach (15.30 Uhr, ZDF), und Peters will den Titel, den er 2002 erstmals nach Deutschland holte, verteidigen. Dann betritt er die ungleich stürmischere Welt des Fußballs, die ihn schon vor seinem Wechsel zur Berühmtheit werden ließ.

Denn der Hockeymann erwarb sich im Umfeld der Fußball-Nationalmannschaft den Beinamen „Klinsmann-Flüsterer“, weil viele der neuen Methoden, die der ausgeschiedene Bundestrainer zur Anwendung brachte, von Peters stammen. Der Psychologe Hans-Dieter Hermann wurde auf Empfehlung des 46-jährigen Krefelders eingestellt, und persönliche Vereinbarungen, wie Klinsmann sie mit allen Spielern fixierte, waren längst ein bewährtes Mittel in der Hockeynationalmannschaft. „Der Einfluss von Peters hat viel mit Psychologie zu tun, man hat Leistungssportler, die man im tiefsten Inneren davon überzeugen muss, was sie können, damit kennt sich Peters sehr gut aus“, sagt Hockeypräsident Stephan Abel. Peters selbst deutete in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung an, dass Klinsmann möglicherweise im Amt geblieben wäre, wenn er und nicht Matthias Sammer den Sportdirektorenposten erhalten hätte. „Das war ein entscheidender Punkt, warum er (Klinsmann; d. Red.) nicht mehr weiterarbeiten wollte“, glaubt Peters. Doch der Deutsche Fußball-Bund beugte sich seinerzeit der massiven Kritik an der Idee, Peters für den nationalen Fußball zu gewinnen. Vielleicht war Peters Klinsmanns wichtigster Helfer bei der Unternehmung, die verkrusteten Denkstrukturen im DFB ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu hieven.

Nun jedoch sonnt sich Klinsmann in Kalifornien, während Peters eine Portion Bratkartoffeln im Mönchengladbacher Hockeypark verspeist. Auf der Pressekonferenz zuvor hatte er wie bei nahezu allen öffentlichen Auftritten den Eindruck erweckt, kein Interesse daran zu haben, sich medial zu inszenieren. Wortkarg hatte er verkündet, dass er in den Tagen vor dem Eröffnungsspiel eben „schlecht zu ertragen“ sei, und sich etwas mürrisch darüber beschwert, dass man nicht mehr vernünftig trainieren könne, weil „ja überall die Gegner schauen“. Peters liebt das Tüfteln im Verborgenen, und dort ist er höchst innovativ.

Der vierfache Vater verwendet Worte wie „Gedankenmanagement“, erteilt seinen Spielern in den Tagen vor dem WM-Beginn ein „Hockeyschlägerverbot“, und seit mehreren Jahren hält er an der Hennes-Weisweiler-Akademie, wo die Fußballtrainer des DFB ausgebildet werden, Vorträge zu den Themen Trainingskompetenzen, Trainerprofile, Führung, Kommunikation und Coaching. Unter ihm arbeiten Spezialisten für Ecken und Abwehr, ein Offensivtrainer wurde eigens aus Australien verpflichtet, weil Peters den Eindruck hatte, dort werde besonders klug angegriffen, vor allem aber hat er dem „Kinder- und Jugendtraining systematische Konzepte gegeben“, erläutert er.

Ähnliches will er nach der Hockey-WM als Sportdirektor beim ambitionierten und von Ralf Rangnick trainierten Fußball-Regionalligisten TSG Hoffenheim realisieren. Auf den ersten Blick wirkt so eine Stelle in der dritten Liga weniger attraktiv als die Aussicht, 2008 Hockey-Olympiasieger zu werden, doch Peters sagt: „Es ist Teil meiner Lebensplanung, zwischen 45 und 50 noch mal etwas Neues anzufangen.“ Eine Art Lebenswerk, seine Erfindung einer groß angelegten sportdidaktischen Systematik, soll auf ein anderes Feld übertragen werden. „Warum sollte das nicht auch im Fußball zum Erfolg führen?“, fragt Peters, und Philipp Crone befürwortet den Wechsel schon allein deshalb, weil ihn „einfach interessiert, ob dieses sehr gute Konzept auch im Fußball funktioniert“.