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Einer der letzten Überlebenden aus der Generation der großen Tenorsaxofonisten, Dewey Redman, ist gestorben

Im März 1969, ein Jahr nach der Ermordung von Martin Luther King, Jr., nahm das Ornette-Coleman-Quintett mit Don Cherry, Charlie Haden, Denardo Coleman und Dewey Redman die Hymne „Broken Shadows“ auf, die auf der Platte „Crisis“ veröffentlicht wurde. Auf dem Coverfoto sah man die Bill of Rights des amerikanischen Kongresses aus dem Jahr 1789 in Flammen aufgehen. Dewey Redman und Ornette Coleman waren einst in Fort Worth, Texas, in derselben High School. Alle Schwarzen, die im Umkreis von 30 Meilen wohnten, gingen auf diese High School. Die Segregation wurde erst gegen Mitte der Sechzigerjahre beendet. Coleman war eine Klasse über Redman, in der High-School-Band spielten beide zusammen. Redman sagte später, dass er das Community-Gefühl nicht vermisse, weil er die Diskriminierung und den Rassismus nicht vermisse. „Auch wenn Dewey und ich in der gleichen Stadt und unter Segregationsbedingungen aufwuchsen, weiß ich, dass wir ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht und Denkweisen entwickelt haben. Er ist zudem nicht in einer so verarmten Neighborhood aufgewachsen wie ich. Aber das unbeschreiblich Schlimme, das wir damals erlebt haben, gehört ja der Vergangenheit an – die Regeln sind heute jedenfalls andere“, resümiert Coleman.

Im Frühjahr 1968 überredete Coleman seinen Freund, nach New York zu kommen und bei seinem Blue-Note-Album „New York Is Now“ mitzuspielen. In den Siebzigerjahren wurde Redman als Saxofonist des amerikanischen Quartetts von Keith Jarrett dann richtig bekannt, und er war auch später, als es nicht mehr so gut lief, immer stolz darauf, dass er es geschafft hatte, nur von der Musik leben zu können. Trotz vieler schöner Aufnahmen gerade auch mit der Ornette-Coleman-Tribut-Band Old and New Dreams erinnerten sich nur wenige an ihn, als sein Sohn Joshua Redman zu einem der großen Saxofonstars der Neunzigerjahre wurde. „New York Is Now“ sei eine der ersten Platten, an die er sich erinnern kann, berichtet Joshua. Als Kind habe er das Innencover immer und immer wieder angeschaut, weil dort auch ein Foto von seinem Vater abgedruckt war. Da er nicht bei ihm aufwuchs, war Joshua stolz, seinen Vater auf diesem Cover sehen zu können. War es früher Stolz, mit dem er das Bild betrachtete, wird es nun Wehmut sein, denn am Samstag ist Dewey Redman im Alter von 75 Jahren in Brooklyn an Leberversagen gestorben.

CHRISTIAN BROECKING