„Is scho so weit? I kimm!“

Annemarie Wendl, die in der „Lindenstraße“ die lästige Else Kling spielte, ist im Alter von 91 Jahren gestorben

Was wurde sie geliebt! Am 28. Mai dieses Jahres starb sie in der Rolle ihres Lebens – in Folge 1.069 der „Lindenstraße“, sie, so ließ es Serienvater Hans W. Geißendörfer ins Drehbuch schreiben, die Tür aufmachend, ein gleißendes Licht sehend und sagend: „Is scho so weit? I kimm!“

Else Kling war gestorben, eine kleine, vielleicht sogar liebevoll gemeinte Verbeugung der Kölner Serienfamilie vor den Erkrankungen der Annemarie Wendl. Schlaganfälle, Schwierigkeiten beim Gehen – da wollte sie sich selbst nicht mehr zumuten, Woche für Woche aus ihrem Schwabinger München ins Drehdorf nach Köln zu reisen.

Else Kling! Ein Name wie eine gefühlte Pest, und das zu einem Gesicht, das sich mit der ersten Folge der „Lindenstraße“ ins deutsche Fernsehgemüt eingefräst hat. Die Kling, das war die neidische, missgünstige, fiese, leumundzersetzende Hausmeisterin, die Schwule verlästerte, Ausländer für ein Gräuel hielt, mindestens für Verbrecher und, ausgerüstet mit Kopftuch über dem Gesicht und dem Wischeimer in der Hand, neugierig bis hin zu einer Aura, die sie als schrecklichste aller Treppenhausheimsuchungen auswies.

Die Wendl, am 26. Dezember 1914 in Trostberg an der Alz als Kind wohlhabender Eltern geboren, spielte die Kling wie ihr Alter Ego: Vielleicht auch deshalb verströmte ihre Rolle der giftigen Blockwartin auch so viel Glaubwürdigkeit. Sie sei nicht die Kling, sagte Wendl, wenngleich sie im wirklichen Leben auch neugierig sei, Geschichten auf der Spur, allzeit mit der Schwäche versehen, aus kleinsten Anzeichen viele Fantasien zu spinnen: aber eben nicht wie die Kling, sondern wie eine Frau, die sich von Herzen freute, im Alter noch die schauspielerische Bestimmung ihrer Laufbahn gefunden zu haben.

„Die Else Kling hat mir zu einer Popularität verholfen, wie ich sie mir in den schönsten Träumen nie erhofft hätte.“ Wendl arbeitete vor der „Lindenstraße“ überwiegend an Theatern, in den Siebzigern auch in Filmen von Rainer Werner Fassbinder und Wolfgang Petersen – und in den Sechzigern, freilich nie unzüchtig zu sehen, sogar in Softpornofilmen wie „Dr. Fummel und seine Gespielinnen“ oder „Graf Porno und die liebesdurstigen Töchter“ – Zeugnisse einer Schauspielerin, die nie ein Star war bis zur „Lindenstraße“ und deshalb von den Wechselfällen der Besetzungsangebote angewiesen war.

Wendl war im Privatleben keineswegs reaktionär und altdeutsch verpestet, sondern eine liberale Streiterin gegen den Paragrafen 218, für die Homoehe und überhaupt für ein freisinniges Leben ohne religiösen Mief. Annemarie Wendl, deren Hausmeisterin längst im Himmel wohnt, ist am Sonntag im Alter von 91 Jahren in München gestorben. JAN FEDDERSEN