LESERINNENBRIEFE
:

Scheinbar neutrale Islamkritik

■ betr.: „Islamkritik. Das reine Ressentiment“ von Armin Pfahl-Traughbers, taz vom 20. 9. 10

Ja, es gibt eine Kritik am Islam, die nicht zugleich mit Feindlichkeit gegenüber Muslimen, allein weil sie Muslime sind, einhergeht. Vielfältige Motive mögen sie antreiben, theologische, atheistische, humanistische, feministische etc. Aber: Die Kritik am Islam geht eben doch allzu oft mit einer generellen Ablehnung von Muslimen einher und Muslimfeindlichkeit versteckt sich eben auch hinter einer scheinbar neutralen Islamkritik.

In unserer jährlichen Bevölkerungsumfrage zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die Armin Pfahl-Traughber in seinem Beitrag kritisch anspricht, äußerten sich im Erhebungsjahr 2007 44 Prozent der deutschen Bevölkerung ohne eigenen Migrationshintergrund ablehnend gegenüber der Aussage „Der Islam hat eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht“ – eine auf den ersten Blick durchaus unverdächtige Meinung. Von diesen Befragten verneinten allerdings zugleich 77 Prozent die Aussage: „Islamische und westeuropäische Wertvorstellungen lassen sich miteinander vereinbaren.“ Die Hälfte von ihnen gab an, sich „durch die vielen Muslime hier […] manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“ zu fühlen, und 38,8 Prozent dieser Befragten sprach sich gar dafür aus: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“

Das Bemerkenswerte daran ist: Wer meint, islamische und westeuropäische Wertvorstellungen ließen sich nicht miteinander vereinbaren, äußert zugleich überzufällig häufiger sexistische Meinungen, hält weniger von Gleichheit zwischen sozialen Gruppen und vertritt signifikant häufiger fremdenfeindliche und antisemitische Einstellungen – wohl kaum europäische Wertvorstellungen, die für Europa werben. Eine scheinbar rational begründete Kritik am Islam verbirgt also nicht selten eine Antipathie gegenüber Muslimen, die einhergeht mit Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und sogar Antisemitismus. Sie drückt sich oft nur etwas eleganter aus, oder sie schafft es eben nicht, sich von negativen Gefühlen gegenüber Muslimen zu lösen.

So wenig wie wir zulassen können, dass der Vorwurf der Islamfeindlichkeit jegliche kritische Stimme über tradierte Ungleichheiten mundtot macht, so wenig darf eine Kritik am Islam als Feigenblatt für Vorurteile gegen Muslime dienen. BEATE KÜPPER

Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung

Universität Bielefeld

Es gibt keine Gegenthese

■ betr.: „Islamkritik. Das reine Ressentiment“, taz vom 20. 9. 10

„Von Islamophobie ist oft die Rede, wenn es um Vorurteile gegen Muslime geht. Besser wäre es aber, von Muslimfeindlichkeit zu sprechen.“

Der Artikel stützt zwar gut die These, ist aber kaum für die Ordnung des öffentlichen Diskurses geeignet. Was soll diese Begriffsverschieberei bringen? Differenzierte Argumente? Die Integration wird nicht durch Kritik und Ressentiments behindert, sondern durch das Fehlen der Benefit-Faktoren. Grob gesagt: Die westliche und islamische Kultur ziehen sich nicht an! Außerdem gibt es keinen einzigen Menschen, der Muslimfeind wäre, und zugleich dem Islam neutral und tolerant gegenüber steht. Will sagen: Es gibt keine Gegenthese.

Schließlich: Mich verwirrt die Idee einer Kritik der Religion, gleich welchen Bekenntnisses. Kritik von außen? Wo ist da die Gesprächsbasis? Vermutlich liegt diesem Ansatz die Idee eines säkularisierten Christentums zugrunde, die man neudeutsch Fuzzy-Christen nennt (keine Abwertung!). Wer kaum noch glaubt, der ist natürlich viel offener … Aber die Religion als Soziokomplex ist für normative oder wissenschaftliche Kritik absolut unerreichbar. No way!

MICHAEL EIBER, Sinzing