Verschmutzungsrechte streng limitieren

Klimaschutz radikal: Jeder Mensch soll fünf Tonnen Treibhausgase im Jahr produzieren dürfen, empfielt neues Buch

BERLIN taz ■ Wer der Erderwärmung Herr werden will, muss die Emissionen begrenzen. Jeder Mensch soll deshalb nur begrenzte Rechte zugeteilt bekommen, die Atmosphäre mit Kohlendioxid zu belasten. Diese provokante Forderung ist ein Kernstück des Buches „Kyoto Plus. So gelingt die Klimawende“, das Klaus Töpfer, Ex-CDU-Umweltminister und Ex-Chef des UNO-Umweltprogramms, gestern in Berlin vorstellte.

Nur mit Hilfe eines gerechten Marktes könne das Klima gerettet werden, so die These. Gerecht sei es, wenn jeder Mensch in Nord und Süd ein gleiches „Verschmutzungsrecht“ erhielte. Mehr als fünf Tonnen Kohlendioxid jährlich dürften es nicht sein. Aktuell sind die Deutschen pro Kopf für zehn Tonnen jährlich verantwortlich – und damit die größten Klimasünder Europas. „In Nigeria emittieren die Menschen aber nur eine Tonne. Das bedeutet, ein Nigerianer kann vier Tonnen verkaufen“, erläutert Peter Spiegel, einer der Autoren, das durchaus marktgerechte Prinzip. Spiegel ist Sprecher des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft. Sein Mitautor Lutz Wicke (CDU) ist Professor für Umweltmanagement und ehemaliger Staatssekretär im Umweltministerium.

Wer also künftig in den Urlaub fliegen will, muss die dafür nötigen zusätzlichen Emissionsrechte auf dem Markt zukaufen. Plötzlich wird auch für Entwicklungsländer wie Nigeria Klimaschutz interessant, weil sie mit dem Verkauf von Emissionsrechten Geld verdienen können. „Eine wahre Entwicklungsmaschinerie“ nennt Spiegel das.

Ein solches globales Emis-sionshandelssystem haben die drei Autoren der Studie im Auftrag des Landes Baden-Württemberg durchgerechnet. Das Konzept sei sowohl wirksam als auch politisch machbar, werben sie dafür. Mit 30 US-Dollar für jede Tonne CO2 würden regenerative Energien schlagartig weltweit wettbewerbsfähig.

„Mutig“ sei die Idee des Buches, erklärte Töpfer, der dazu das Vorwort verfasste: „Uns muss endlich klar werden, wie stark unser Reichtum vom Süden subventioniert ist.“ Umstritten ist das Buch dagegen in der Umweltszene. „Als wir vor zehn Jahren gesagt haben, ‚wir müssen das Klima retten‘, erklärten uns die Konservativen zu Spinnern“, sagt Jörg Dürr-Pucher von der Deutschen Umwelthilfe. „Trotzdem haben wir zäh das Kioto-Klimaschutzprotokoll verhandelt.“ Heute würden die Konservativen versuchen, das Protokoll klein zu reden. „Marktwirtschaft soll jetzt der Heilsbringer sein.“ Allerdings räumt Dürr-Pucher ein, das Buch enthalte viele bedenkenswerte Ideen, die „auch stärker in der Umweltbewegung diskutiert werden müssen“.

NICK REIMER

Peter Spiegel, Lutz Wicke, Inga Wicke-Thüs: „Kyoto Plus“. Verlag C. H. Beck, München 2006,

252 Seiten, 19,90 Euro