M. – eine Stadt sucht eine Schuldige

Der Jugendliche aus dem Heim in der Feuerbergstraße, der zuletzt in einem Jenfelder Hochhaus wohnte, hat einen Raubüberfall begangen. Die Opposition sieht ein Versagen der Sozialbehörde und fordert Rücktritt der Senatorin

Der Wilhelmsburger Sozialarbeiter hatte davor gewarnt. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sein ehemaliger Schützling M. durchdrehen werde. Nach mehreren Monaten Isolation in der Feuerbergstraße und einigen Wochen in einem Heim an der polnischen Grenze hatte die Sozialbehörde den Jungen zuletzt allein in einem Jenfelder Hochhaus untergebracht, nur stundenweise von Pädagogen betreut.

Was der Sozialarbeiter da noch nicht wusste: Die Prophezeiung hatte sich wenige Stunden zuvor erfüllt. Es passierte in Wilhelmsburg, jenem Stadtteil, in dem der Sozialarbeiter eine Jugendwohnung betreut, in die M. gerne wieder zurück wollte. Der Junge war Sonntagnacht zusammen mit S., einem anderen Ex-Bewohner der Feuerbergstraße, Bus gefahren. Beide waren betrunken. Nachdem sie an der Haltestelle Großer Sand ausgestiegen waren, bedrohten sie nach Angaben der Polizei einen 21jährigen Mitfahrer mit einer Schreckschusspistole, klauten ihm Geld und Handy. Danach soll M. das Opfer getreten und mit einem Notfallhammer geschlagen haben, den er zuvor gestohlen hatte.

„Diese Tat ist nicht entschuldbar“, sagte der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer. Sie weise aber auf ein Versagen der Sozialbehörde hin. Böwer, der wie auch die GAL den Rücktritt von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) fordert, will das Thema in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft debattieren.

M. ist einer der beiden Jugendlichen, die im Sommer für 2.700 Euro Taxikosten nach Brandenburg an die polnische Grenze gebracht wurden. Für Böwer passt das nicht zusammen: „Erst hält man ihn für so gefährlich, dass man ihn mit teurem Taxi wegschaffen muss, und dann lässt man ihn allein in einem Hochhaus wohnen.“ Bevor man ihn nach Brandenburg brachte, war M., wie berichtet, beim Kinder- und Jugendnotdienst weggeschickt worden. Auch das geht laut Böwer nicht. Der Notdienst sei zur Aufnahme verpflichtet.

Die unter Druck geratene Senatorin legte gestern Mittag eine eigene Version vor. Allein in den fünf Monaten, in denen er in der Wilhelmsburger Jugendwohnung lebte, sei der Junge 13 mal straffällig geworden und nicht zur Schule gegangen. Die Heimaufsicht habe eine Belegungssperre über die Wohnung verhängt, weil aus ihr heraus vermutlich Straftaten begangen worden seien. Dass er, obwohl er als unberechenbar galt, allein in einem Hochhaus leben durfte, ergebe sich aus dem Gesetz. Schnieber-Jastram: „Er war 17 Jahre alt und konnte seinen Aufenthaltsort selbst bestimmen.“

Der letzte Raubüberfall habe gezeigt, dass alle Versuche, den Jungen zu bessern, fehlgeschlagen seien. Grund zur Selbstkritik sah Schnieber-Jastram nicht. Der „Werdegang dieses jungen Menschen war vorgezeichnet“, sagte sie, „trotz aller Bemühungen, die intensiv vorgenommen worden sind.“ Kaija Kutter