Petersens Mondfahrt

Nach internen Querelen wechselt Hamburgs SPD ihren Landesgeschäftsführer aus. Das Hauptproblem der Partei bleibt ihre Erfolglosigkeit – und die von Spitzenkandidat Mathias Petersen

Von Marco Carini

Der neue Mann heißt Rüdiger Schulz. Auf einer Krisensitzung beschloss am Dienstagabend der Geschäftsführende Landesvorstand der Hamburger SPD dem 60-Jährigen, bislang Kreisgeschäftsführer der Partei im Bezirk Harburg, das Amt des Landesgeschäftsführers „kommissarisch zu übertragen“. Damit endet vorerst eine Personaldebatte, die die Sozialdemokraten in den vergangenen Wochen in eine Führungskrise gestürzt hat – und ein Schlaglicht auf ihren desolaten Zustand wirft.

Losgetreten hatte die Personalie der Parteichef und designierte Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2008, Mathias Petersen, höchstpersönlich. Am Dienstag vergangener Woche hatte er seinen Landesvorstand mit der Botschaft überrascht, er wolle sich vom bisherigen Landesgeschäftsführer Ties Rabe trennen. Kurz zuvor hatte er noch gefordert, Rabes Vertrag bis 2012 zu verlängern.

Mehrere Teilnehmer der Runde forderten den Parteichef auf, mögliche Differenzen mit Rabe auszuräumen. Kurz darauf konnte Petersen in der Zeitung lesen, er habe eine empfindliche „personalpolitische Niederlage“ erlitten und könne sich nicht einmal in seinem unmittelbaren Umfeld durchsetzen. Derart in die Enge getrieben, sah er sich offenbar zum Handeln genötigt: Rabe wurde geschasst.

Was als Befreiungsschlag gedacht war, löste in weiten Teilen der Hamburger SPD nur Kopfschütteln aus. Petersen habe Rabe zum „Sündenbock für seine eigene Erfolglosigkeit auserkoren“, vermutet ein führender Genosse hinter vorgehaltener Hand. Denn Petersen und seine Partei sind anderthalb Jahre vor der Bürgerschaftswahl auf einem historischen Tiefpunkt angelangt: Gerade mal 27 Prozent der Hamburger würden aktuellen Umfragen zufolge der Partei ihre Stimme geben, nur magere 13 Prozent kennen Petersen überhaupt. Was immer Petersen in den vergangenen Monaten auch versuchte, um seinen Bekanntheitsgrad zu zu vergrößern: Der Mann von schmächtiger Statur wird einfach übersehen. Als sich vor zwei Wochen SPD-Parteichef Kurt Beck bei einer Visite an der Elbe als strahlender Volkstribun präsentierte, stand Petersen gehemmt wirkend und unscheinbar in seinem Schatten.

Eine politische Strategie und ein programmatisches Profil sind bei Hamburgs SPD kaum zu erkennen – ein Makel, für den Petersen nun nicht etwa sich selbst verantwortlich machte, sondern den designierten Wahlkampfleiter Rabe. Zielsicher setzt der studierte Mediziner Petersen regelmäßig auf die falschen Themen. Seinen Versuch, sich mit der Forderung zu profilieren, Hamburg dürfe keine Steuergelder in den Bau der geplanten Konzerthalle „Elbphilharmonie“ stecken, verbuchten selbst viele Parteifreunde als „visionsfreie Klassenkampf-Rhetorik“.

Fünf Jahre, nachdem sie die Macht verlor, hat sich Hamburgs SPD weder programmatisch noch personell erneuert. Saft- und kraftlos krittelt sie am CDU-Senat herum, ohne eigene Akzente zu setzen oder Themen zu präsentieren, über die die Stadt redet. Innen- und sicherheitspolitisch weit nach rechts gewendet, haut auch ihr Konzept einer „menschlichen Metropole“ offenbar niemanden vom Hocker.

Vor allem aber fehlen der Partei markante Persönlichkeiten wie die einstigen SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi oder Henning Voscherau – die strahlen zumindest aus, sie könnten es mit CDU-Medienliebling Ole von Beust aufnehmen. Dem eher stillen Petersen aber, der bei seinen Bürgerschaftsauftritten stets so wirkt, als hätte er sich ganz doll vorgenommen, heute wirklich besonders gemein zur Regierung zu sein, trauen das viele Parteifreunde nicht zu. Dass es Politrentner Voscherau über Monate gelang, sich als Bürgermeisterkandidat im Gespräch zu halten – mit der Begründung, die SPD habe ja sonst niemanden – spricht Bände.

Petersen ist in der Partei weder besonders beliebt noch verankert. 2003 verlor er gegen den Wirtschaftsfachmann Thomas Mirow den ersten Anlauf auf die SPD-Spitzenkandidatur: Als er im Juli 2004 zum Parteichef gekürt wurde, gaben ihm viele Genossen „höchstens zwei Jahre“. Doch Petersen wurde – auch mangels Konkurrenz – vergangenes Frühjahr im Amt bestätigt und inoffiziell zum Spitzenkandidaten gekürt.

Mit der Entlassung Rabes hat Petersen nun endlich einmal für Schlagzeilen gesorgt – für negative. In den Medien fallen zahlreiche ungenannt gebliebene Genossen über ihren Chef her: „Wir propagieren die menschliche Metropole, aber servieren verdiente Leute eiskalt ab“, schimpft da ein Parteifreund, während andere ihm „miserables Krisenmanagement“, „fehlendes Fingerspitzengefühl“ und „blanke Panik“ vorwerfen.

Derart angeschlagen muss Petersen die SPD mit Hilfe eines noch nicht benannten Landesgeschäftsführers, der die Interims-Lösung Schulz schon bald wieder ersetzen soll, in den Wahlkampf führen. Unter den gegebenen Vorzeichen könnte aus einem angriffslustigen „Brüder zur Sonne“ eher Petersens Mondfahrt werden.