Mädchenjahre im Widerstand

HIPPEN EMPFIEHLT In „Cato“ von Dagmar Brendecke wird die kurze Lebensgeschichte von Cato Bontjes van Beek aus Fischerhude erzählt

Im Film wird eine Ahnung von Lebensfreude und Aufbruchsstimmung der jungen Cato vermittelt

VON WILFRIED HIPPEN

Wenn seit einigen Jahren eine ganze Reihe von Dokumentarfilmen über Verfolgte, Opfer und Widerstandskämpfer des Nationalsozialismus produziert wird, gibt es dafür einen ganz einfachen und pragmatischen Grund. Mit jedem Jahr gibt es weniger Zeitzeugen, und so bieten sich jetzt oft die letzten Gelegenheiten, erinnerungswürdige Geschichten aus den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts – anders als im weitgehend mechanisierten Stil von Guido Knopp oder des History Channels – zu erzählen.

Zum Beispiel jene von Cato Brontjes van Beek, einer ganz erstaunlich modernen, rebellischen und intelligenten Frau aus Fischerhude. Ihre Eltern, die Ausdruckstänzerin und Malerin Olga und der holländische Keramiker Jan, lernten sich in der Künstlerkommune Barkenhoff in Worpswede kennen und zogen nur ein paar Kilometer weiter, um einen sehr freigeistigen Künstlerhaushalt mit drei Kindern zu gründen, von denen die 1920 geborene Cato das älteste war. Im Film kommen ihre beiden Geschwister Mietje und Tim zu Wort, und auch wenn in der Erinnerung die Kindheit immer etwas verklärt wird, sind ihre Schilderungen einer zugleich idyllischen und antiautoritären Kindheit sehr anschaulich und überzeugend. Und es gibt ja auch die vielen Fotografien von Cato und ihrer Familie, die so ganz anders aussehen als die Schnappschüsse in den meisten deutschen Familienalben aus jener Zeit. Im Film wird zumindest eine Ahnung von Lebensfreude und Aufbruchsstimmung der jungen Cato vermittelt, die davon träumt, Schauspielerin und Weltreisende, vor allem aber Fliegerin zu werden.

In den 30er Jahren zieht sie nach der Scheidung der Eltern zum Vater nach Berlin und tritt in das NS-Flieger-Korps ein, denn nur so kann sie in einer Frauensegelfluggruppe tatsächlich das Fliegen lernen. Das junge Mädchen trägt Baskenmütze, liest Baudelaire und begeistert sich für die geistreichen französischen Komödien von Sacha Guitry. Dass diese auch lange nach der Machtübernahme noch in Deutschland gezeigt werden durften, ist eines von den vielen überraschenden Details, die sich in den Tagebüchern und Briefen von Cato finden, die in Auszügen von Anna Thalbach vorgelesen werden. „Ich bin und war noch nie ein Backfisch!“, ist einer von ihren Sätzen voller Selbstbewusstsein und Abenteuerlust.

Sie schien keine Angst zu kennen, als sie nach 1939 zuerst französischen Kriegsgefangenen auf U-Bahnstationen etwas zu Essen und Nachrichten zusteckte und später dann zusammen mit ihrem Freund Heinz Strelow Flugblätter schrieb und verteilte. Bei der Gestapo-Aktion gegen die Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ wurde sie 1942 verhaftet und 1943 hingerichtet, nachdem Adolf Hitler viele Bitten um Begnadigung abgewiesen hatte.

Einer der Zeitzeugen, die in „Cato“ zu Wort kamen, war ein damals 16-jähriger Mitgefangener, der Cato zwar niemals sehen konnte, aber mit ihr zwischen den Zellen Nachrichten, ja sogar Bücher austauschte. Mit Goethe konnte er nichts anfangen, und auch, wenn dieses komische Detail im Vergleich zu seiner Schilderung von Catos letzten Stunden vor der Hinrichtung eher banal erschienen mag, war Dagmar Brendecke klug genug, es nicht herauszuschneiden.

Denn sie versucht ja, das kurze Leben dieser Frau so komplex und lebendig wie nur möglich darzustellen. Dies gelingt der erfahrenen Autorin und Regisseurin, die viele Fernsehfeatures gedreht hat, mit den konventionellen Mitteln des Dokumentarfilms, also einer Mischung aus „talking heads“ der Zeitzeugen, Originaldokumenten wie Fotos und Briefen, Archivmaterial und den Texten von Cato. Dahinter spürt man aber auch immer die Sympathie, mit der die Filmemacherin den Spuren dieses kurzen Lebens nachspürt.