in fußballland
: Freischalten, leicht gemacht

CHRISTOPH BIERMANN unterdrückt Gewaltfantasien beim Eintritt in die Fernseh-Arena

Ich wollte eigentlich nur Fußball gucken und war sogar bereit, Geld dafür zu bezahlen, doch heute kann ich über meine Unbedarftheit nur lachen. Naiv ging ich in einen Elektromarkt und abonnierte dort Arena TV, wo neuerdings die Spiele der ersten und zweiten Bundesliga gezeigt werden. Da ich in Nordrhein-Westfalen lebe, wo man das nicht einfach über den Anbieter Premiere abwickeln kann, musste ich mir, so behauptete der Verkäufer, einen neuen Decoder kaufen. Für diesen erhielt ich eine Smartcard, wobei der Verkäufer ehrlich genug war, mir zu gestehen, dass es wahrscheinlich eine Woche dauern würde, bis diese Karte „freigeschaltet“ sei und ich Arena wirklich sehen könne. Warum dieser Vorgang nötig ist und eine Gebühr von 29,90 Euro kostet, habe ich nicht verstanden.

Zu Hause schloss ich das neue Gerät an, als mir einfiel, dass ein Bekannter seit kurzem bei Arena seiner Arbeit nachgeht. Ich rief ihn an, um mit seiner Hilfe die Freischaltung zu beschleunigen. Er sagte, ich würde die Freitagsspiele aber noch nicht sehen können. Mit den Samstags- und Sonntagsspielen verhielt es sich jedoch nicht anders, nach Ende des Fußballwochenendes war ich freigeschaltet.

Dann wollte ich einen Film auf Premiere sehen und schob deren Smartcard in den neuen Decoder. Das würde funktionieren, hatte mir der Verkäufer gesagt. Das wird niemals funktionieren, erklärte mir eine Stimme aus dem Call-Center von Premiere, und ich lauschte einen Kurzvortrag über Verschlüsselungstechnik. Nach einigem Hin und Her fanden wir heraus, dass beide Programme aber durchaus auf meinem alten Decoder von Premiere funktionieren würden, ich müsste dazu aber meine Arena-Karte umtauschen.

Also ging ich wieder zum Elektromarkt, um den Decoder zurückzugeben und die Karte umzutauschen. Dort hieß es jedoch, das ginge nicht, weil sie nur eine Art Ausgabestelle wäre. Ich müsse das bei der Kabelfirma machen. Diese hat glücklicherweise ihren Hauptsitz in meinem Wohnort und dort auch ein Service-Center, in dem mir ein Kundenberater erklärte, dass sie den Decoder nicht zurücknehmen würden, sondern ich die Transaktion im Elektromarkt tätigen müsse, auch wenn sie dort keine Lust dazu hätten. Im Zweifelsfalle solle ich mir den Vorgesetzten geben lassen. Der Berater der Kabelfirma war sehr groß und vermittelte mir, verstärkt durch einen amerikanischen Akzent, dass ich mich einfach nicht richtig mit dem Thema beschäftigt hätte. Vielleicht hatte er Recht.

Ich fuhr wieder zum Elektromarkt und wartete zwanzig Minuten, bis ein Ehepaar vor mir Arena-Abonnent geworden war. Sie mussten so viele Papiere unterzeichnen, dass es vielleicht auch ein Nahost-Friedensvertrag war. Dann war ich an der Reihe, und es dauerte weitere zwanzig Minuten, bis der Kollege aufgetrieben war, der die Rückabwicklung machen konnte. Während ich auf ihn wartete, kam mir der Gedanke, dass der Fußballgott mich prüfen wollte, wie groß mein Wunsch nach Fußball wirklich ist. Ich unterdrückte derweil meine Gewaltfantasien, in denen das befreiende Rattern von Maschinengewehren und das Fauchen von Flammenwerfern eine Rolle spielten.

Der Rückabwickler kannte sich dann wirklich gut aus und nahm auch meinen Decoder zurück, erläuterte aber glaubwürdig, dass er die Arena-Karte nicht umtauschen könne. Dafür müsse ich noch einmal zum Kabelbetreiber. Auf der Fahrt dahin kam mir in den Sinn, dass das Wort „kafkaesk“ aus der Mode gekommen ist. Warum eigentlich? Der Kundenberater begrüßte mich mit strengem Blick. Er fand es nicht erstaunlich, dass ich wieder da war. Mein leiser Hinweis, er hätte mir doch schon am Vortag die richtige Karte geben können, prallte an ihm ab. Offensichtlich sah er sich als mein Lehrer, der mich auf die harte Tour zum Pay-TV-Abitur führen würde. Dann fragte er, wo mein Decoder sei. Ich war erschrocken, denn ich hatte ihn nicht dabei. Er sagte mit leicht vorgestülpter Lippe, dass er nur mal so gefragt hätte. Man müsse am Decoder das Format umstellen und er hätte das gemacht, aber gut, ich könne es auch selbst versuchen.

Zu Hause gelang mir das schon nach gut einer Stunde. Ich schaltete Decoder und Fernseher anschließend aus, menschlich gereift.

Fotohinweis: Christoph Biermann, 44, liebt Fußball und schreibt darüber