Zwischendurch auch mal ein Liebeslied. Neues vom Oi- und Kalifornienpunk von Soifass und Radio Havanna

Früher ging das so auf Demos: „Wir haben euch was mitgebracht: Hass! Hass! Hass!“ Und noch früher hörte sich Punkrock so an wie bei Soifass: „Wir sind die, die euch hassen!“ Dieses Bekenntnis wird mit den gewohnten musikalischen Mitteln bebildert: krachenden E-Gitarren, bollerndem Brutalo-Schlagzeug und rausgekotztem Brüllgesang.

Das ist, seien wir ehrlich, schon ein bisserl gewöhnungsbedürftig. Umso mehr, weil Soifass eine Oi-Punkband sind und aus vier Berliner Skinheads bestehen. Nun ist der Skinhead, auch wenn dieses Vorurteil immer noch weit verbreitet ist, nicht per se rechtsradikal eingestellt. Nein, der traditionsbewusste Skinhead ist überzeugt unpolitisch, hat aber dafür eine sehr spezielle Vorstellung von Spaß, die aus viel Bier und dem gelegentlichen Faustkampf unter Freunden besteht.

In diesem rüden Milieu haben sich Soifass, die sich zwischenzeitlich aufgelöst und vor zwei Jahren neu formiert hatten, als intellektuelle Überflieger etabliert. Denn wenn man das Gebelle von Sänger Viktor auf dem dritten Album „Hypokrit“ dechiffriert hat, entpuppt sich der Kern unter der harten Schale als erstaunlich weich: In seinen Texten hinterfragt er den Männlichkeitskult in der Skin-Bewegung („All der Stress und all die Orgien und sinnlose Schlägereien“) und verzweifelt bisweilen sogar an der eigenen Wut („Der Wahnsinn tobt in mir und leider hört das auch nicht auf“). Statt Hymnen auf den Alkoholmissbrauch zu singen, fragt er sich, was aus dem Freund geworden ist, der an der Nadel hing. Bisweilen traut er sich sogar, man glaubt es kaum, ein Liebeslied. Der selbstreflexive Höhepunkt: ein Stück, in dem die gute Freundin zu ihrem Liebhaber zurückkehrt, obwohl sie von ihm geschlagen wird, und der Protagonist nicht weiß, wie er damit umgehen soll. Aber keine Angst, den treuen Freunden des klassischen Oi-Punk kann man Entwarnung signalisieren: Die Sensibilität spiegelt kein bisschen in der musikalischen Umsetzung wieder, Soifass rocken angemessen einfältig.

Das tun erst mal auch Radio Havanna. Die haben sich vor acht Jahren nach einem Song von Rancid benannt, und ganz in der Tradition dieser legendären Punkband halten sie auf „Lauter Zweifel“ das Tempo hoch, die Gitarrenverstärker stets aufgedreht bis zum Anschlag und die Songs kaum unterscheidbar. Tatsächlich gibt es drei verschiedene Sorten: die Lieder mit dem nicht ganz so schnellen, die mit dem mittelschnellen und die mit dem ganz schnellen Geknüppel. Das allerdings ist in dem Genre durchaus ein Qualitätsmerkmal, pflegt das doch einen Hang zur olympischen Idee: härter, schneller, lauter.

Dass die Idee von Punk, der das Berliner Quartett anhängt, einst in Kalifornien geboren wurde und dass ihre Vorbilder Bands sind wie NOFX, Pennywise, Offspring oder auch Green Day, bevor die im Stadion strandeten, das hört man an den Gesangslinien, die den Kollegen von der Oi-Punk-Fraktion eindeutig zu eingängig wären. Der Hass auf die Zustände aber, der ist hier wie dort derselbe. Und auch Demos sind heute ja wieder sehr beliebt. THOMAS WINKLER

■ Soifass: „Hypokrit“ (KB/Cargo), live 25.9. JK Klinke, Bruno-Baum-Str. 56, Marzahn

■ Radio Havanna: „Lauter Zweifel“ (Fatsound/Broken Silence)