Wohnungsmarkt wird unsozialer

Der deutsche Mieterbund warnt vor dem Verkauf öffentlicher Wohnungen und bekommt Unterstützung von Landtagsopposition und Architektenkammer. Im Zentrum der Kritik: die geplante Privatisierung der LEG

DÜSSELDORF taz ■ Der Sozialstaat ist bald Geschichte. Das befürchtet zumindest der Deutsche Mieterbund NRW. Auf seinem wohnungspolitischen Kongress in Düsseldorf warnte der Verband am Mittwoch die öffentliche Hand davor, mit dem Verkauf von öffentlichem Wohnungseigentum „ein wichtiges Steuerungsinstrument aus der Hand“ zu geben. Im Mittelpunkt der Kritik standen dabei die Pläne der schwarzgelben Landesregierung, die Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) mit ihren 110.000 Mietwohnungen an einen privaten Investor zu verkaufen.

Der wohnungsbaupolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Heinz Sahnen, verteidigte die Pläne von Bauminister Oliver Wittke (CDU). Der LEG fehle wirtschaftliche Potenz, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. „Die notwendigen Modernisierungen können von der öffentlichen Hand nicht mehr gestemmt werden“, sagte er auf dem Podium und erntete Widerspruch. „Die LEG hat im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordgewinn erzielt“, sagte Horst Becker, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. Die FDP und der wirtschaftsliberale Flügel der CDU seien systematisch dabei, die LEG schlecht zu reden.

Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, hatte schon vorher in seinem Referat vor einer Privatisierungswelle gewarnt. „Die Realeinkommen sinken oder stagnieren bestenfalls. Die Zahl der Arbeitslosen in NRW ist nach wie vor hoch“, sagte Miksch. Viele Leute seien auf günstigen Wohnraum angewiesen. „Da die Kommunen diese Kosten übernehmen müssen, liegt es in ihrem eigenen Interesse, wenn ein ausreichendes Angebot an preiswertem Wohnraum verfügbar ist“, so Miksch. Für private Investoren sei dieses Segment des Mietermarktes auf Dauer nicht interessant. „Die hohen Renditeziele der Finanzinvestoren lassen sich in der Regel nur dann verwirklichen, wenn in den angekauften Wohnungsbeständen die Mieten bis zum oberen Niveau angehoben werden.“

Miksch schlug vor, den Wohnungsbestand der LEG an örtliche und regionale Wohnungsunternehmen zu veräußern. „Gegen eine Privatisierung der LEG habe ich nur dann keine Bedenken, wenn die Wohnungsbestände nur an solche Unternehmen veräußert werden, die sich der notwendigen Steuerung des Wohnungsmarktes und der kommunalen Stadtentwicklung verpflichtet fühlen“, sagte Miksch.

Wie die Landesregierung sich entscheidet, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. „Die Mieterinteressen werden einen großen Stellenwert haben“, sagte Bauminister Wittke. Mitte September soll ein Gutachten vorliegen, ob die LEG als Ganzes oder in Teilen verkauft werden soll. Im Oktober soll es dann einen Kabinettsbeschluss zur LEG geben. Parallel dazu sammelt die Volksinitiative „Sichere Wohnungen und Arbeitsplätze“ Unterschriften für ein Volksbegehren. 30.000 Unterstützer gibt es bereits, 66.000 sind notwendig.

Gestern demonstrierte das Bündnis beim Besuch von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in Dortmund gegen den Verkauf der LEG. Vor Ort waren auch die NRW-Grünen. „Auf unserer Tour durch NRW, bei der wir in den Innenstädten von Gelsenkirchen, Oberhausen, Essen, Duisburg und Dortmund Unterschriften für die Volksinitiative gesammelt haben, sind wir in der Bevölkerung auf breite Resonanz gestoßen“, sagte die Vorsitzende der NRW-Grünen, Daniela Schneckenburger. „Die Wohnungspolitik ist ein strategisches Feld, auf dem wir die Auseinandersetzung mit der CDU-FDP-Landesregierung suchen werden.“ Dabei können die Grünen auf eine breite Unterstützung zählen.

HOLGER PAULER